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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Lehrgedicht. Manche Medici wählen diese Art der Veröffentlichung. Es ist in eintausenddreihundertsechsundvierzig Hexametern geschrieben.« Gern wäre Lapidius näher auf Fracastoro und seine in Versform niedergelegten Erkenntnisse eingegangen, ebenso wie auf die Heilmethode mit Hilfe des Guajak-Holzes und auf die verblüffenden Thesen des Doktor Paracelsus, aber er merkte, dass er sie damit überfordern würde. Stattdessen sagte er vorsichtig: »Höre, Freyja, auf dem Gemswieser Markt ist eine Frau tot aufgefunden worden. Niemand kennt sie. Vielleicht weißt du ihren Namen, weil du mit deinem Wagen viel herumkommst.«
    Freyja schwieg, aber in ihren Augen blitzte Interesse auf. »Die Frau ist jung und ebenso blond wie du, aber etwas größer. Sie ist hübsch und hat noch alle Zähne.«
    »Hm.«
    Lapidius dachte an die Buchstaben auf der Stirn der Toten und daran, dass man sie unter Freyjas Wagen gefunden hatte, doch er unterließ es, darüber zu sprechen. Einzelheiten würden seine Patientin nur unnötig aufregen. »Sie hat blaue Augen und ein hübsches Gesicht.«
    »Hm«, machte Freyja abermals. »Ich kenn eine, die so aussieht, ne Korbmacherin ists.«
    »Eine Korbmacherin?«
    »Ja, sie könnts sein.«
    Lapidius spürte ein Kribbeln im Magen. Er sah die Ermordete wieder in der Kapelle liegen. Sie hatte schrundige Hände und eingerissene Nägel gehabt. Kleine Verletzungen, die durchaus zu einer Korbmacherin passten. »Wie heißt sie? Woher kommt sie?«
    »Weiß nicht. Kenn sie nur vom Sehen. Kann ich noch Wasser haben?«
    »Nein.« Es klang härter, als er es meinte.
    »Warum nicht?«
    »Wegen der Schmierkur. Ich habe es dir doch schon erklärt. Der Patient darf nur so viel Wasser erhalten, wie er wieder ausschwitzen kann. Du weißt also nicht, wie die Frau heißt?«
    »Ich möcht Wasser.«
    »Nein.«
    »Dann eben nicht!« Trotzig starrte sie ihn aus ihrer Höhle an. Er kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass weitere Bemühungen, sie zum Reden zu bringen, zwecklos sein würden. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehen. Er seufzte und sagte: »Ich glaube dir j a, dass du den Namen nicht weißt. Es war nicht so gemeint.«
    Im Laboratorium traf er Marthe bei der Arbeit an. Sie trällerte, ihm den Rücken zukehrend, fröhlich vor sich hin und wischte emsig Staub. Er blieb stehen, denn mehrere Gedanken schossen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Vorausgesetzt, bei der Toten handelte es sich wirklich um eine Korbmacherin, so war es keinesfalls eine aus Kirchrode, sonst hätte man sie auf dem Marktplatz erkannt. Das war klar. Sie musste also aus einer anderen Gegend kommen. Aber woher? Wer konnte das wissen? Der Logik zufolge jemand, der nicht in der Stadt lebte. Und am ehesten eine Person, die denselben Beruf ausübte. Ja, das mochte sein. »Kennst du außerhalb von Kirchrode eine Korbmacherin?«, fragte er laut.
    »Hooach! GottimHimmelhabtlhrmicherschreckt!« Marthe fuhr herum und presste die Hand auf ihren üppigen Busen. »Wassis, Herr?«
    »Tut mir Leid.« Lapidius wiederholte die Frage, und zu seiner Überraschung sagte die Magd sofort:
    »Ne Korbmacherin, die nich inner Stadt wohnt? Ja, Herr. Die schiefe Jule.«
    »Die schiefe Jule?«
    »Ja, Herr. Aufer Zirbelhöh hat sie ne Hütte, am Ensbacher Graben, drei Meilen über der Stadt. Warum, Herr?«
    »Ach, nichts.« Lapidius ließ sich auf seinen Lieblingsstuhl fallen, nahm das Federmesser zur Hand und spielte damit, während die Magd weiter ihrer Arbeit nachging. »Marthe, ich bin über Mittag nicht da, vielleicht komme ich erst am Abend wieder. Pass in der Zwischenzeit auf den Athanor auf, das Feuer muss stetig brennen. Und sieh in einer Stunde nach Freyja, aber gib ihr nichts von dem Schlaftrunk, höchstens etwas Brunnenwasser. Hier ist der Schlüssel, für alle Fälle. So, und jetzt lass mich allein.«
    »Aber Herr! Ich bin noch nich fertich, un Ihr müsst was essen. Ich hab …«
    »Lass gut sein, Marthe.«
    »Ich könnt Euch Putterpommen mitgeben …«
    »Nein, lass mich allein.« Marthe verschwand schmollend, und Lapidius verlor weiter keine Zeit, sondern begann augenblicklich, sich umzuziehen. Er wählte einfache Kleidung, wie die Leute auf der Straße sie trugen: eine alte Köperhose, ein vielfach geflicktes Hemd und ein blank gewetztes Lederwams. Es waren Stücke, die er auf seiner Wanderung durch Spanien getragen hatte – und an denen er, trotz ihres abgetragenen Zustands, sehr hing.
    Er hatte beschlossen, der schiefen Jule einen Besuch

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