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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Totenstarre bei Gunda Löbesam schon voll eingesetzt hatte, als du sie auf den Karren ludst. Da dies um die elfte Morgenstunde geschah und der Rigor mortis ungefähr acht Stunden braucht, um sich voll auszubilden, liegt es nahe, dass die Frau in den frühen Morgenstunden des 15. starb. Natürlich kann es auch sein, dass der Tod schon früher eingesetzt hat, denn die Starre hält sich bis zu zwei Tage und zwei Nächte, aber daran glaube ich nicht. Direkt nachdem die Frau tot war, wurde sie mit Freyja Säcklers Wagen zum Markt gekarrt, denn die Ermordete sollte noch am gleichen Vormittag entdeckt werden. Alles andere macht wenig Sinn.«
    »Ja, Herr. Wenn Ihrs sacht.«
    »Weißt du eigentlich, dass Gunda Löbesam geschändet wurde?«
    »Nee, Herr, da hat der Medicus nix von gesacht.«
    Lapidius schickte sich an zu gehen. »Nun gut, dann weißt du es jetzt. Mach dir weiter keine Gedanken darüber. Die Tote hat jetzt ihren Frieden. Vielleicht sprichst du beim Aufstellen des Kreuzes ein Gebet für sie, wenn schon der Pfarrer keine Zeit dafür fand.«
    »Habs schon getan, Herr.«
    »Du bist ein braver Mann.«
    Lapidius lenkte seine Schritte stadteinwärts, zum Haus des Apothekers, denn ihm war eingefallen, dass ihm noch immer ein kleiner Alambic fehlte. Doch wie schon beim Mal zuvor traf er Veith nicht zu Hause an. Seiner Frau, einer unscheinbaren, blässlichen Person, war das sichtlich peinlich. Lapidius wehrte ab und betonte, es sei halb so schlimm, schließlich hätte er seinen Besuch ja nicht angekündigt. Sie kamen ein wenig ins Gespräch, und dabei stellte sich heraus, dass Veiths Frau ebenso wie Lapidius aus Braunschweig stammte. Diese Gemeinsamkeit war sein Glück, denn alsbald fasste die Frau sich ein Herz und beschloss, ihm das Glasgefäß auch ohne die Erlaubnis ihres Mannes auszuleihen. Lapidius bedankte sich überschwänglich, zumal sie ihm noch einen Eierkorb als tragbare Schutzvorrichtung mitgab.
    Solcherart bepackt steuerte er den Gemswieser Markt an, denn von den Händlerinnen drohte ihm kein Unbill mehr, da sie ihre Waren bereits wieder verstaut hatten und verschwunden waren. Aus dem Querschlag drang der Geruch nach kräftiger Fleischsuppe, und Lapidius konnte nicht umhin, dieser Verlockung nachzugeben. Er betrat das Wirtshaus und blickte sich aufmerksam um, denn er war zum ersten Mal hier. Was er sah, waren rohe Tische, ein paar Schemel und Sitzbänke. Ein Schankraum wie jeder andere, wenn man von den Lampen einmal absah. Sie waren von jener Art, wie sie auch im Berg Verwendung fanden.
    Lapidius wunderte sich. Es war Montag, ein normaler Arbeitstag, und dennoch war die Zahl der Zecher nicht unerheblich, ja, einige von ihnen waren sogar schon berauscht und verlangten lauthals neues Bier aus dem Fass auf dem Schanktisch. Rechts daneben, an einem gesonderten Platz mit vier Stühlen, hatten es sich drei Gäste bequem gemacht. Sie hielten Löffel in der Hand, die sie in eine große Schüssel tauchten. Die Quelle des köstlichen Dufts!
    Lapidius sah näher hin und erkannte in einem der Männer Krabiehl. Das traf sich gut. So konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: eine Stärkung zu sich nehmen und gleichzeitig den Büttel Mores lehren. »Einen guten Tag wünsch ich, ist es gestattet?« Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich auf den freien Stuhl und stellte den Eierkorb neben sich ab.
    Krabiehl hielt mitten in der Bewegung inne. Die Erinnerung an seine letzte Begegnung mit Lapidius war ihm nicht angenehm. Langsam den Löffel ablegend, sagte er: »Äh … wir waren gerade fertig.« Die beiden anderen Männer blickten verständnislos. Der eine wollte etwas sagen, verzog aber plötzlich das Gesicht, da der Büttel ihm auf den Fuß getreten hatte.
    »Aber wieso denn, Krabiehl? Eure Schüssel ist ja noch halb voll. Wollt Ihr am Ende die schöne Suppe zurückgehen lassen?« Lapidius’ Gesicht strahlte Freundlichkeit aus, doch seine Stimme klang stählern.
    »Nein … ja. Ach so. Ich hatte gar nicht gesehen, dass noch so viel drin ist.« Die beiden anderen Männer schauten sich an. Sie ahnten, dass dies kein erbauliches Gespräch werden würde. Rasch standen sie auf und entfernten sich.
    Der Wirt erschien und deutete eine Verbeugung an. »Ich bin Pankraz, Herr, der Besitzer. Was darf ich Euch bringen? Oder wollt Ihr beim Büttel mithalten?«
    »Nein. Ich möchte meine eigene Suppe. Und Brot und eine Kanne Bier dazu.«
    »Ich habe gutes Einpöckisches Bier. Es ist allerdings etwas teurer …«
    »Ja,

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