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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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auch? Aber wie ich sehe, bin ich auch damit etwas knapp. Nehmt am besten den hier. Der ist reichlich da. Ihr habt doch nichts gegen Gelb?« Nichterlein hielt einen talergroßen mehrlagigen Seidenknopf hoch.
    »Nein, nein.« Lapidius mochte nicht ablehnen, obwohl er sich gelbe Knöpfe auf seinem schwarzen Wams schwerlich vorstellen konnte. »Sagt, Meister, ist die Knopfform unter dem Stoff vielleicht aus Horn?«
    »Aus Horn? Wie kommt Ihr darauf? Knopfformen werden aus Holz gemacht. Aus Eiche, Esche, Buche. Ich beziehe sie von einem Drechsler in Goslar. Am liebsten würde ich sie selber herstellen, aber Ihr wisst ja, wie streng die Zünfte sind.«
    »Ja, ja«, sagte Lapidius.
    Nichterlein hatte unterdessen sechzehn gelbe Seidenknöpfe abgezählt und in ein Tuch geschlagen. Er überreichte es Lapidius. »Geht damit zum Schneider. Es wird ihm ein Vergnügen sein, so schöne Knöpfe annähen zu dürfen.«
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte Lapidius und zahlte eine horrende Summe für Nichterleins Erzeugnisse. Er wurde den Gedanken nicht los, dass der Meister die Situation schamlos ausnutzte. Andererseits konnte man es ihm nicht verdenken, schließlich hatte er Lapidius wie einen Einbrecher ertappt. Aber nun galt es, dem Gespräch eine Wendung zu geben. Da ihm der zündende Gedanke für einen geschickten Übergang fehlte, fragte er rundheraus: »Wenn Ihr schon Eure Knöpfe nicht aus Horn fertigt, Meister, warum habt Ihr dem Bock dann die Hörner abgesägt?«
    »Was?« Nichterleins Miene verfinsterte sich erneut. »Ihr wollt mich wohl auf den Arm nehmen?«
    »Nein, nein, natürlich nicht.«
    »Hört mal: Ich lasse gestern Morgen den Bock raus, und was sehe ich? Das Vieh hat keine Hörner mehr! Irgendein Hundsfott hat sie abgesägt. Warum, ist mir schleierhaft. Wenn ich den erwische! Ihr hättet die Nachbarn sehen sollen, totgelacht haben die sich. Besonders die alte Grete mit ihrem Rosenfimmel. Na, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.«
    »Habt Ihr nichts von dem Frauenkopf gehört, der gestern in der Böttgergasse über einer Tür hing?«
    »Dem Frauen…? Äh, ja, natürlich, die ganze Stadt redet doch davon! Warum?«
    »Dann müsstet Ihr doch wissen, dass in der Stirn zwei …«, Lapidius machte eine bedeutungsvolle Pause, »Bockshörner steckten?«
    »Zwei Bo…?« Nichterlein lachte plötzlich auf. »Ach ja, gewiss, das hatte ich ganz vergessen! Aber Ihr glaubt doch wohl nicht, dass die Hörner ausgerechnet von meinem Bock … hahaha! Nein, ich habe mit der Sache nichts zu tun. Nicht das Geringste. Will verdammt sein, dreimal verdammt, wenn es so ist!«
    Lapidius gab sich verständnisvoll. »Ich glaube Euch ja. Aber wenn dem so ist, habt Ihr sicher nichts dagegen, dass ich es überprüfe.«
    »Bitte sehr. Wenn Ihr es könnt.«
    Lapidius zog die abgesägten Enden aus der Tasche.
    Nichterlein bekam Stielaugen. Doch er fing sich rasch und begann zu Lapidius’ Überraschung wie ein Rohrspatz zu schimpfen. »Deshalb also habt Ihr in meinem Stall herumgeschnüffelt! Von wegen Knöpfe kaufen! Ausspionieren wollte der feine Herr mich! Aber nicht mit Hans Nichterlein! Oder wart Ihr es vielleicht selbst, der dem Bock die Hörner abgemacht hat? Seid selbst der Mörder, was?« Urplötzlich hatte der Meister wieder den Knüppel in der Hand. »Fort aus meinem Haus, ehe ich den Büttel hole, fort!«
    Der Peinlichkeit, Krabiehl unter diesen Umständen zu begegnen, wollte Lapidius unter allen Umständen entgehen. Deshalb gehorchte er. Aber in der Tür drehte er sich noch einmal um: »Sollten die Hörner passen, Meister Nichterlein, werde ich es herausfinden. Und dann werdet Ihr eine Menge Fragen zu beantworten haben. Mehr als Euch lieb ist.«
    Täuschte er sich, oder hatte er beim Gehen Angst in des Meisters Augen aufblitzen sehen? Die Gasse hinunterschreitend und sich in Richtung Altenauer Eck orientierend, grübelte er über das Erlebte nach. Nichterlein war klein, gewiss, aber unerschrocken und wehrhaft – ungewöhnliche Eigenschaften bei einem Knopfmacher. Auch hatte er unsicher auf die Frage reagiert, ob er nichts von dem toten Frauenkopf gehört habe. Gut möglich also, dass die Hörner von seinem Bock stammten. Aber war er deshalb ein Mörder? Ein Filius Satani? Vielleicht hatte er die Hörner nur abgetrennt und einem anderen übergeben, und der hatte die Unbekannte getötet. Oder ein anderer hatte sie mit Nichterleins Wissen abgesägt und anschießend die Frau gemeuchelt. Oder, auch das war

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