Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
Bangigkeit, gleich dem, der ein schweres Stück Arbeit glücklich zu Ende gebracht hat, trat Elspat leise zu dem bewußtlosen Schläfer, dem ihr Übermaß von Liebe so verderblich werden sollte, und legte ihm sanft den Mantel über die Beine. Dabei gab sie ihrer Freude durch Zeichen der Liebe und durch Frohlocken Ausdruck.
»Ja«, sagte sie, »Kind meines Herzens! Der Mond wird heraufsteigen und auf dich scheinen und auch die Sonne; aber nicht, um dir aus deinem Vaterhaus zu leuchten dorthin, wo du einem fremden Fürsten dienen sollst oder zinsbarem Feinde. Keinem Sohne von Dermid soll ich überliefert werden, um von ihm gefüttert zu werden wie eine Sklavin, sondern der wird mein Hüter und Beschützer sein, der mein Stolz ist und meine Freude! Ihr sagt, das Hochland sei anders geworden? Aber ich sehe, der Ben Cruachan hebt sein Haupt am Abendhimmel noch ganz so hoch wie ehedem! Noch hat niemand die Kühe unten in der Tiefe des Loch Awe zur Weide getrieben, und noch immer beugt sich der Eichbaum nicht wie Farrenkraut. Aber die Kinder der Berge werden sein wie ihre Väter, bis die Berge gleich werden den Tälern. Noch immer geben diese wilden Forste, einst der Tummelplatz für Tausende von Männern, sichere Zuflucht für ein altes Weib und einen schönen Jüngling aus altem Geschlecht und von alter Sitte.«
Durch das Leben in der Wildnis, das Elspat mit ihrem Manne durch Jahre hindurch geführt hatte, war sie zu ungewöhnlicher Kenntnis von Pflanzen und Kräutern gelangt. Sie wußte sie ebenso leicht zu finden wie zu behandeln. Sie konnte Krankheit besser heilen, als mancher wirkliche Arzt. Aus diesen bereitete sie die Farben für den bunten Tartan des Hochländers, aus jenen Tränke von allerlei Wirkung, und so besaß sie auch das Geheimnis der Bereitung eines stark wirkenden Schlaftrunks. Auf ihn setzte sie, wie der Leser schon gesehen haben wird, die Hoffnung, ihren Sohn über die Frist hinaus festhalten zu können, die ihm für die Rückkehr gesetzt war. Sie kannte
sein Entsetzen vor der Strafe, welcher er sich hierdurch aussetzte, und hierauf baute sie ihre Hoffnung, ihn von aller Rückkehr fernzuhalten.
Zehntes Kapitel.
Hamishs Schlaf an diesem verhängnisvollen Abend war tiefer, als es der Natur gemäß ist, aber die Mutter fand keine Ruhe. Kaum schloß sie von Zeit zu Zeit einmal die Augen, so schreckte sie auch schon auf, von Furcht erfüllt, ihr Sohn möchte aufgewacht und weggegangen sein. Dann trat sie an sein Lager heran und lauschte den tiefen, regelmäßigen Atemzügen, bis sie sich wieder beruhigt hatte darüber, daß er noch immer fest schlafe.
Aber als der Morgen dämmerte, beschlich sie die Furcht, er möge aufwachen, trotz der ungewöhnlichen Stärke des Tranks, den sie ihm gereicht hatte. Daß er es versuchen würde, Dunbarton, sein Quartier, zu erreichen, wenn ihm noch irgend eine Hoffnung blieb, es pünktlich zur festgesetzten Zeit erreichen zu können, das wußte sie, und wenn er laufen sollte, bis er vor Müdigkeit zusammenbräche. Unter dem Eindruck dieser neuen Besorgnis suchte sie das Tageslicht fernzuhalten und verstopfte alle Spalten und Ritzen, durch welche die Strahlen der Frühsonne leichter als auf anderem Wege Zugang in ihre elende Behausung finden konnten. Und das alles tat sie, um ein geliebtes Wesen in Mangel und Elend festzuhalten, für das sie mit Freuden die ganze Welt hingegeben hätte, wenn sie ihr zur Verfügung stände.
Es war unnötige Angst gewesen. Schon stand die Sonne hoch am Himmel und der schnellste Hirsch von ganz Breadalbane hätte vor der Meute nicht schneller um sein Leben rennen können, als Hamish hätte rennen müssen, um zu der Zeit, da sein Urlaub ablief, noch bis Dunbarton zu kommen.
Sie hatte ihren Zweck erreicht. Die Rückkehr zum festgesetzten Termin war unmöglich, und für ebenso unmöglich hielt sie es, daß er es sich je einfallen lassen würde, auf die Gefahr einer schimpflichen Strafe hin zurückzukehren. Es war ihr langsam klar geworden, welches Schicksal seiner wartete, wenn er zum festgesetzten Tage ausbliebe, und welche geringe Hoffnung er sich auf gelinde Behandlung zu machen habe.
Der Gedanke des großen und klugen Grafen Chatham, die tapferen Hochländer zur Verteidigung der amerikanischen Kolonie für England aufzubieten, ist bekannt. Es traten aber mancherlei Hindernisse der Ausführung dieses vaterländischen Planes entgegen, die ihre Gründe in dem seltsamen Charakter dieses Bergvolkes haben. Natur und Gewohnheit bestimmten
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