Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
Vergebung gewährt beim Anblick ihres rinnenden Blutes, ihres zerrissenen Fleisches. Da waren die Priester, die auch über die Mächtigsten Macht besaßen; mit dem Wort ihres Mundes, mit dem Text ihres Buches, mit der Flamme ihrer Fackel, mit dem Klange ihrer heiligen Glocke hielten sie im Zaume die Gewaltigen der Erde.
»Der Mächtige beugte den Nacken ihrem Willen, und ewig der Freiheit beraubt waren die, die sie in ihrem Grimm geknechtet hatten. Die hatten wohl Einfluß und Gewalt, und vor ihnen, deren Macht den Stolzen erniedrigte, fiel auch der Arme in die Knie.
»Doch ihr! Gegen wen seid ihr streng als gegen Weiber, die den Verstand verlieren, und gegen Männer, die kein Schwert mehr führen? Die alten Priester waren wie der Regenschwall, der sein enges Tal füllt und die gewaltigen Steinblöcke gegeneinander schleudert, als wären sie so leicht wie, ein Ball, mit dem ein Knabe spielt!
»Doch ihr! Ihr seid wie der Bach, den die glühende Hitze des Sommers ausgetrocknet hat, der den Binsen aus dem Wege geht und von einem Busch Riedgras in seinem Lauf gehemmt wird. Ihr seid wert, daß man Wehe schreit über euch, denn von euch kömmt keine Hilfe!«
Der Geistliche merkte Wohl, daß Elspat ihrem römisch-katholischen Glauben untreu geworden war, ohne einem anderen sich hinzugeben. Von Mitleid ergriffen mit ihrer Not, und um sie von ihren Irrtümern zu bekehren und in ihrer Unwissenheit zu belehren, erwiderte er in mildem, liebevollem Tone:
»Unglückliche Frau! Stünde auch Rom selber und sein ganzes Priestertum Euch zu Gebote, um ein Geschenk oder eine Buße könnte Euch auch von dorther in Eurem Jammer weder Trost noch Hilfe kommen. Elspat Mac Tavish, ich muß Euch leider etwas recht Trauriges mitteilen.«
»Ich weiß es ohnedem,« antwortete die Unglückliche. »Mein Sohn ist zum Tode verurteilt worden.«
»Elspat,« sagte der Geistliche, »er war verurteilt worden – und das Urteil ist bereits vollzogen worden.«
Die arme Mutter schlug die Augen zum Himmel empor und schrie laut auf. Ihre Stimme hatte einen allem Menschlichen so unähnlichen Klang, daß der Adler, der hoch oben in den Lüften schwebte, darauf Antwort gab, als hätte einer seinesgleichen ihm zugerufen.
»Unmöglich!« schrie sie, »Unmöglich! – Wird denn an einem Tage verdammt und gemordet! – Du lügst! Dich nennt das Volk einen heiligen Mann – und du hast doch das Herz, einer Mutter zu sagen, sie habe ihr einziges Kind ermordet?« –
»Gott weiß es« – antwortete der Priester mit Tränen in den Augen, »gerne hätte ich dir eine bessere Nachricht gebracht, sofern ich gekonnt hätte. Aber die ich dir gebracht habe, ist ebenso gewiß, als sie eine Todesnachricht ist. Mit eigenen Ohren habe ich die Salve gehört, und mit eigenen Augen sah ich deinen Sohn sterben, sah ich deines Sohnes Leiche. – Meine Zunge bezeugt nur, was meine Ohren vernahmen und meine Augen erschauten.«
Die Unglückliche rang die Hände und reckte sie zum Himmel empor wie eine Wahrsagerin, die Krieg und Verwüstung prophezeit. Dabei stieß sie in ebenso ohnmächtiger wie gräßlicher Wut einen Strom fürchterlicher Verwünschungen aus:
»Gemeiner sächsischer Bube!« rief sie. »Erbärmlicher gleißnerischer Betrüger! Daß doch deine Augen, die den Tod meines schöngelockten Knaben erschauten, zerfließen möchten in ihren Höhlen, verzehrt durch nie versiegende Tränen, die du weinen mögest um alle deinem Herzen Liebsten und Teuersten! Daß doch deine Ohren, die den tödlichen, mörderischen Knall vernahmen, tot und taub sein möchten für jeden anderen Laut als das Krächzen der Raben und das Zischen der Schlangen! Daß doch die Zunge, die mir seinen Tod berichtet und mir mein eigenes Verbrechen kündet, verdorren möchte in deinem Munde, oder besser, sobald du mit deinem Volke Gebete sprechen willst, möchte der Teufel in deine Zunge fahren, daß sie Schmähungen und Lästerungen lalle statt Gebete, daß die Leute vor dir fliehen voller Grausen! Daß doch der Donner des Himmels niederprassle auf dein Haupt, und deine fluchende und verfluchte Stimme verstumme auf ewig! Hinweg! Geh, beladen mit diesem Fluche! Nie mehr, nie mehr wird Elspat so viele Worte reden über einen Lebenden!« –
Sie hat Wort gehalten.
Von diesem Tage an war die Welt für sie eine Ödenei, in der sie gedankenlos und interesselos vegetierte, nur ihrem Schmerze nachhängend und apathisch gegen alles andere.
über ihre Lebensweise oder vielmehr ihre Art, das Leben zu
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