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Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)

Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
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versetzte der Fremde. »Wenn sie zum Beispiel hier die Papiernote einwechseln sollte, so wüßte sie nicht, wie viel Guineen sie dafür zu bekommen hat. Nein, Herr Gray, sie ist in weltlichen Dingen völlig unerfahren. Ihr müßt einstweilen ihr Vermögensverwalter sein.«
    Zur Verwunderung des Doktors sagte der Fremde dies in stolzem, hochfahrendem Tone, wie einer, der an Widerspruch nicht gewöhnt war. Dies bestärkte den Arzt in seinem Verdacht, daß er es hier mit einer Entführung oder mit einer heimlichen Ehe zwischen Personen höchsten Ranges zu tun habe. Das ganze Wesen der Dame wie des Herrn bestätigte diese Vermutung.
    Zudringlichkeit oder Neugierde war nicht Grays Art. Es konnte ihm aber nicht verborgen bleiben, daß die Dame keinen Ehering trug. Da sie tiefbetrübt war und in beständiger Angst schwebte, so kam er auf den Gedanken, sie sei ein unglückliches Mädchen, das sich den Schutz der Eltern verscherzt und auf den Schutz eines Gatten noch keinen rechtmäßigen Anspruch habe.
    Er war daher in lebhafter Besorgnis, als der sogenannte Herr Middlemas nach einer langwierigen Unterredung mit der Dame sich von ihm verabschiedete. Allerdings versicherte er abermals, daß er in zehn Tagen wiederkommen werde.
    Kurz nach der Abreise des Herrn Middlemas besuchte der Arzt seine Patientin. Er fand sie in heftigster Aufregung. Gray war erfahren genug, das sicherste Mittel zur Beruhigung sofort anzuwenden. Er ließ ihr das Kind bringen. Sie weinte lange, aber unter der Einwirkung der mütterlichen Gefühle legte sich ihre Erregung. Sie erschien noch so blutjung, daß man mit Gewißheit annehmen konnte, sie habe das Gefühl, Mutter geworden zu sein, zum erstenmal kennen gelernt.
    Der Arzt erkannte nach diesem heftigen Anfall sogleich, daß alles Sinnen und Denken der Kranken sich auf die Zeit konzentrierte, zu welcher die Rückkehr ihres Gatten – sofern es ihr Gatte war – erwartet werden konnte.
    Aber dieser Zeitraum ging vorüber, und der Mann blieb fern. Die vereitelte Hoffnung versetzte die Wöchnerin in heftige Unruhe und in eine halb ärgerliche, halb von Zweifel und Angst erfüllte Stimmung.
    Als einige Tage verstrichen waren, ohne daß eine Nachricht oder ein Brief von dem Manne eingetroffen wäre, wurde Gray selber um seinet-wie um der Dame willen besorgt, und fürchtete nun alles Ernstes, der Fremde habe in der Tat die Absicht gehabt, das schutzlose und wahrscheinlich schwer hintergangene Weib zu verlassen. Er wollte sie selber sprechen und von ihr zu erfahren suchen, nach welcher Richtung man am besten Erkundigungen einziehen könne, oder ob sich sonst irgend etwas tun lasse. Aber entweder verstand die Unglückliche nur unvollkommen die französische Sprache oder sie war entschlossen, über ihre Lage nicht das mindeste zu verraten, so daß jeder derartige Versuch erfolglos blieb.

Zweites Kapitel.
    Die vierte Woche nach der Niederkunft der Frau war verflossen und sie war völlig genesen, da sah Gray eines Tages, als er von einem Krankenbesuche heimkehrte, eine Postkutsche vor seiner Tür halten.
    »Der Mann wird zurückgekehrt sein,« dachte er bei sich, »und ich habe ihm mit meinem Verdacht unrecht getan.«
    Mit diesen Worten gab er seinem Pferde die Sporen, und das treue Tier gehorchte dem Winke seines Herrn um so bereitwilliger, als es ja nach seinem Stalle ging.
    Als er aber in seine Wohnung hinaufeilte, fand er seine Frau in heftigem Streit mit zwei Fremden, von denen der eine ein schon älterer Herr von dunkler Gesichtsfarbe und schwarzen stechenden Augen war, während der andere, der in der Hauptsache den Streit zu führen schien, eine beherzte und grausame Miene zeigte und mit ein paar Pistolen renommierte, die er im Gürtel trug.
    »Da ist mein Mann«, sagte Frau Gray in siegesgewissem Tone. »Was wollt ihr nun noch?«
    »Immer noch dasselbe«, versetzte der Mann, »Meinem Haftbefehl muß Folge geleistet werden, er ist in gesetzmäßiger Form ausgestellt.«
    Mit diesen Worten wies er mit dem Zeigefinger auf ein Blatt Papier, das er der Frau Gray mit der linken Hand unter die Nase hielt.
    »Wendet Euch gefälligst an mich«, sagte der Arzt. »Ich bin der Herr dieses Hauses und wünsche zu wissen, was Ihr hier zu tun habt.«
    »Was ich hier zu tun habe, ist bald gesagt«, antwortete der Mann. Ich bin ein Königsbote – die Frau hier aber behandelt mich, als wäre ich der Häscher eines Schuldgefängnisses.«
    »Das tut nichts zur Sache«, erwiderte der Doktor. »Wenn Ihr ein Königsbote seid,

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