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Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)

Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
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immer anstimmte, wenn er den Kirchturm von Middlemas erblickte, war für immer verstummt, der Reiter hielt das Haupt gesenkt, und das Pferd, dem die Aufmunterung durch die Hand und Stimme seines Herrn fehlte, schlenderte müde dahin, als sei es mit ihm niedergeschlagen und trostlos.
    Mitunter war er so traurig gestimmt, daß er den Anblick der kleinen Marie nicht zu ertragen vermochte, deren Kinderantlitz ihn an die Züge der Mutter erinnerte.
    Den größten Trost nach dem schweren Verluste fand der arme Mann in der fröhlichen Zärtlichkeit des Richard Middlemas, des Kindes, das in so seltsamer Weise in seine Pflege gekommen war. Von frühester Jugend auf war er von großer Schönheit. Wenn er schwieg oder mißgestimmt war, dann zeigte sein Gesicht im dunklen Ausdruck der Augen und der finstern Miene Ähnlichkeit mit dem unheimlichen Charakter, den das Gesicht seines vermutlichen Vaters offenbart hatte. Wenn er aber munter und glücklich war – eine Stimmung, die bei ihm die häufigere war – dann hatte er die fröhlichste, heiterste Miene, die je auf dem lachenden, gedankenlosen Antlitz eines Kindes gestrahlt hat.
    Er zeigte die zärtlichste, liebevollste Anhänglichkeit an seinen Vormund und Wohltäter. Er war stets willig und folgsam und verstand es mit einem über seine Jahre gehenden Geschick, seinem Pflegevater zu helfen oder ihm Zerstreuung zu bereiten.
    Diese dankbare Liebe schien mit der Entwicklung seiner Geisteskräfte zuzunehmen und äußerte sich bald auch in Aufmerksamkeiten gegen die kleine Marie Gray. Im selben Verhältnis zu Richards liebevoller Aufmerksamkeit wuchs Maries Anhänglichkeit an Richard. Der Vater sah mit Vergnügen jedes neue Zeichen der Liebe, das sein Schützling seinem Kinde erwies. Während Richard allmählich aus einem schönen Kinde zu einem hübschen Knaben wurde, schrieb Doktor Gray jährlich mit großer Regelmäßigkeit an Herrn von Moncada unter der ihm angegebenen Adresse. Der rechtlich denkende Mann war der Meinung, der Großvater werde nicht, wenn er seinen Enkel sähe, auf den die ganze Familie stolz sein könne, auf seinem Entschluß bestehen, einen ihm durch Blutsverwandtschaft so nahen und an Gestalt und Charakter ihm so ähnlichen Knaben als einen Verstoßenen zu behandeln.
    Er hielt es daher für seine Pflicht, die Verbindung zwischen dem Großvater und dem Enkel aufrecht zu erhalten, da die beiden in Zukunft vielleicht einander näher gebracht werden konnten. Andrerseits konnte ein derartiger Briefwechsel einem Manne von dem Selbstgefühl Grays nicht angenehm sein. Er faßte daher seine Briefe so kurz wie möglich, legte lediglich Rechenschaft ab über die für sein Mündel gemachten Ausgaben unter Einschluß eines geringen Kostgeldes, das er selber in Anschlag, brachte, fügte die Beglaubigung des Herrn Lawford bei und berichtete dann über Richards Gesundheitszustand und seine Fortschritte in der Erziehung. Den Schluß bildete in der Regel eine kurze aber herzliche Lobrede auf Richards Klugheit und Gutherzigkeit.
    Die Antworten waren stets kurz und lauteten immer etwa folgendermaßen:
    »Herr von Moncada bescheinigt den Eingang der Briefe des Herrn Gray von dem und dem Datum und ersucht Herrn Gray, es bei dem vereinbarten Verkehr bewenden zu lassen.«
    Sobald außergewöhnliche Ausgaben sich erforderlich machten, wurden ohne Umstände und umgehend Geldbeträge eingesandt.
    Als der Knabe vierzehn Jahre alt wurde, schrieb der Doktor einen ausführlichen Bericht von dem Charakter, den Fortschritten und den Fähigkeiten seines Pflegekindes. Er setzte hinzu, daß er diese Mitteilungen mache, damit Herr von Moncada sich ein Urteil darüber bilden könne, für welchen Beruf der junge Mann herangezogen werden könne. Er wolle nach besten Kräften alles tun, um die Wünsche des Herrn von Moncada auszuführen, denn der Knabe sei bei seinem liebenswürdigen Wesen ihm so lieb und wert, als sei er sein eigen Kind.
    Die Antwort, die nach etwa zehn Tagen eintraf, war ausführlicher als sonst und hatte folgenden Inhalt:
    »Sehr geehrter Herr Gray! – Wir haben uns unter nicht gerade günstigen Umständen kennen gelernt. Allein ich bin im Vorteil gegen Euch. Denn es war mir ja bekannt, aus welchem Grunde Ihr eine schlechte Meinung von mir hattet, und so konnte ich Eure Gründe und Euch selber zur gleichen Zeit achten, Ihr aber wart nicht in der Lage, meine Handlungsweise zu begreifen – weil Ihr nicht unterrichtet wart, in wie schändlicher Weise man mir mitgespielt hatte. Ein

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