Die Hochzeit meiner besten Freundin
Garten zu verschaffen.
Das unverkennbare, heisere Dröhnen eines Porschemotors ist das erste warnende Geräusch, doch wie üblich fährt er viel zu schnell, und es gelingt mir nicht, rechtzeitig die Flucht zu ergreifen. Sein Wagen biegt um die Ecke, und die Scheinwerfer erfassen die Straße wie megastarke Halogenstrahler, die bei einem Rockkonzert über die Menge gleiten.
Ich habe Glück im Unglück. Mein Entschluss, einen letzten Blick zurück auf das Haus zu werfen, bedeutet, dass ich wenigstens nicht auf der Fahrbahn erwischt werde. Doch so muss ich nach unten abtauchen und mich hinter ein parkendes Auto kauern, wobei mein Hintern im Lichtkegel bleibt. Na ja, er ist groß, er ist schwarz, und hoffentlich hebt er sich nicht von der Schwärze der Nacht ab.
Ich drücke den Kopf so nah wie möglich an die Stoßstange des Range Rovers, hinter dem ich abgetaucht bin, fest davon überzeugt, dass man mich sehen kann. Endlich habe ich den Grund dafür entdeckt, warum manche Leute mitten in London Range Rover fahren. Damit sich Idioten wie ich des Nachts dahinter verstecken können!
Sobald das Auto langsamer wird und ich das elektrische Tor aufgehen höre, flitze ich über die Straße davon. Meine Schritte hallen laut auf dem Teer wider.
Also wenn er vorher nicht wusste, dass ich da war, dann weiß er es jetzt! Diese Theorie wird dadurch erhärtet, dass derselbe Wagen mit hoher Geschwindigkeit im Rückwärtsgang über die Straße zurückkommt.
Oh, Mist! Was mache ich jetzt? Einen Augenblick lang stehe ich wie erstarrt, meine Augen suchen hektisch nach einem Fluchtweg.
Es bleibt mir absolut nichts anderes übrig. Ich hechte durch das Tor des nächstgelegenen Hauses – ein höchst ungraziöser Sprung in die Hecke, und bleibe im Gestrüpp liegen, bis ich annehme, dass die Luft rein ist. Dann haste ich, hektisch um mich blickend, zurück über die Straße und um die Ecke, wo ich Arnold geparkt habe.
Ich zittere, doch komischerweise ist mir auch nach Lachen zumute.
Das Adrenalin schießt durch meine Venen und peitscht mein Blut auf wie Champagner, der mit Brandy aufgepeppt wurde.
Was, wenn sie hier Überwachungskameras oder so etwas haben?
Und das Dumme an der ganzen Sache ist, dass ich nicht gesehen habe, ob er allein nach Hause gekommen ist. Es hätte durchaus sein können, dass eine billige Blondine sich auf dem Beifahrersitz neben ihm rekelte, die langen Beine verführerisch übereinander geschlagen, und das Dekollete tief ausgeschnitten wie eine fleischfarbene Venusfalle.
Ich wühle in meiner Tasche nach den Schlüsseln, wobei mich die Aufregung ungeschickt macht.
Ich ignoriere das Geräusch eines sich nähernden Wagens.
Ich ignoriere die Tatsache, dass er neben mir anhält und dass der Motor röhrt wie eine Raubkatze, die ihre heutige Beute ausgemacht hat.
Ich klammere mich an die kindische Theorie, dass, wenn ich ihn nicht sehen kann, auch er mich nicht sehen kann, und verharre entschlossen mit dem Gesicht zur Wagentür.
Gerade als es mir endlich gelingt, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, nehme ich das Geräusch eines elektrischen Fensterhebers wahr.
»Annabelle!«
Hilfe! Plötzlich bin ich hochgradig taub.
»Annabelle!«
Es bringt nichts. Langsam drehe ich mich um, ein dümmliches Grinsen auf dem Gesicht, da mir nichts Besseres einfällt.
»Ah, hallo auch.«
Kummervoll sieht er mich mit gerunzelter Stirn an. Plötzlich wünsche ich mir, ich wäre wieder hinter meinem Busch.
»Annabelle? Ich dachte mir doch, dass du es bist. Was um Himmels willen machst du hier?«
Eine gute Frage, aber keine, die ich beantworten kann. Was ich hier mache? Mir ist klar, dass die einzig mögliche Antwort die Wahrheit ist. Die Frage ist nur, wie soll ich die Wahrheit sagen – nicht gleich die ganze Wahrheit oder nichts als die Wahrheit?
»Ah… ich wollte dich sehen.«
Das ist doch keine Lüge, oder?
»Warum wolltest du dann Reißaus nehmen, als ich vorbeifuhr?«
»Habe meine Meinung geändert.« Ich zucke die Achseln. Gott sei Dank ist es zu dunkel, als dass er sehen könnte, wie rot ich werde. »Ich… äh. plötzlich habe ich bemerkt, wie spät es ist.«
»Steig ein, Annabelle.«
Stumm starre ich ihn an.
»Steig ein«, wiederholt er, wobei er jede Silbe betont wie ein Lehrer bei einem begriffsstutzigen Kind. Ich steige ein.
Schweigend fährt er die knapp fünfzig Meter zum Haus zurück und drückt dann auf einen Knopf, woraufhin die Eisentore sich wie von Geisterhand öffnen und sich hinter uns wieder
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