Die Hochzeit meiner besten Freundin
inneren Auge, der die Hüften kreisen lässt wie ein Abklatsch der Dream Boys. Mehr wie ein Albtraum-Boy als ein Traum-Boy, um ehrlich zu sein. Aber die Dinge erscheinen sowieso in einem ganz anderen Licht, wenn man bedenkt, dass ich heute eine weitaus gefährlichere Mission vor mir habe. Eine, bei der selbst ein James Bond in seinem maßgeschneiderten Smoking erzittern würde.
Ich treffe mich mit meiner Mutter.
Da Jamie so nett war, mich zu verpfeifen und ihr zu erzählen, dass ich wieder im Lande bin, habe ich beschlossen, all meinen Mut zusammenzunehmen und sie anzurufen.
Wir werden gemeinsam zu Mittag essen.
Sie holt mich um zwölf ab. High noon. Baguettes auf zwanzig Schritt Entfernung.
Nicky ist über die Tatsache genauso erfreut wie ich.
»Soll das heißen, sie weiß, wo ich wohne!«, ruft sie und verschwindet prompt in der Küche, um sich hinter dem Inhalt des Kühlschranks zu verschanzen. Ich weiß nicht, warum sie der Meinung ist, ein gekühltes KitKat würde sie beschützen, doch sie würgt es hinunter, als wäre meine Mutter Gift und der Schokoriegel das einzige Gegenmittel.
Nix hatte schon immer eine Heidenangst vor meiner Mutter. Wenn ich darüber nachdenke, dann finde auch ich sie manchmal ziemlich Furcht einflößend.
Besonders jetzt.
Sie ist nicht zufrieden mit mir.
Sie war noch nie zufrieden mit mir, das ist also nichts Neues, aber mir schwant, die Tatsache, dass ich bereits vor fünf Wochen zurückgekommen bin und mich erst jetzt gemeldet habe, könnte ihre Unzufriedenheit noch gesteigert haben.
Um fünf vor zwölf stehe ich vor der Eingangshalle zu Nickys Wohnhaus und bibbere in meinen geborgten Chanelstiefelchen. Das liegt nicht am Wind, der eisig um die Ecken und aufdringlich durch den ebenfalls von Nicky entliehenen Rock pfeift.
Ich glaube, ich habe meiner Mutter seit meinem Abflug insgesamt drei Ansichtskarten – eine Weihnachtskarte und zwei ziemlich späte Geburtstagskarten – sowie einen Brief geschickt. Einmal mehr habe ich meine Pflichten als Tochter vernachlässigt!
Ich werde mir die Nörgeleien zweier Jahre alle auf einen Schlag anhören müssen. Ein Handelsdefizit an Nörgeleien, einen Essensberg an Nörgeleien, der sich zweifelsohne in eine langsame, schmerzhafte Nörgellawine verwandeln und dauern wird, bis ich bis zum Hals darin stecke.
Als sie so alt war wie ich, hatte sie bereits den zweiten Ehemann, das erste Kind und ein eben aus der Taufe gehobenes Unternehmen, und auf allen hatte sie den Daumen drauf.
Sie war schon immer verflucht talentiert. Vielleicht komme ich mir deshalb so unzulänglich vor. Alles was ich mache, wird an ihren Leistungen gemessen, und wenn man bedenkt, dass ich bisher noch nicht allzu viel geleistet habe, habe ich schlechte Karten bei dieser Art Vergleich. Dass ich durch halb Asien und Australien gereist und heil zurückgekehrt bin, ist in den Augen meiner Mutter keine Leistung, sondern nur ein verlängerter Urlaub. Meine Mutter glaubt an eine neue Rasse von Superfrauen, denen es gelingt, im Beruf erfolgreich zu sein, während sie gleichzeitig Kinder großziehen, gesellschaftlich im Rampenlicht stehen und trotzdem ihre innere Entwicklung nicht vernachlässigen.
Ich schaffe es noch nicht einmal, mir die Nägel zu lackieren und gleichzeitig fernzusehen.
Und was die Karriere betrifft, habe ich keinen blassen Schimmer. Ich habe keine besondere Begabung, empfinde kein brennendes Verlangen danach, etwas Bestimmtes zu sein. außer glücklich.
Was ich in diesem Moment ganz sicher nicht bin.
Schlag zwölf fährt sie mit quietschenden Reifen vor und nimmt fast den Bordstein und die Spitzen meiner schwarzen Lederstiefel mit.
Man sieht ihr Profil, bevor ich ihr Gesicht sehe: das zu einem kurzen, gepflegten Bob gestutzte Haar, die gerade Nase, die dünnen Lippen, die leuchtend rot angemalt sind.
Ist es nicht befremdlich, dass Eltern immer gleich aussehen, egal wie alt sie sind? Es kommt mir vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nein, als wäre sie zurückgedreht worden. Ich bin wieder zwölf Jahre alt und werde vor dem Schultor abgeholt, nachdem ich einen Verweis bekommen habe, weil ich Frischhaltefolie über die Kloschüssel in der Privattoilette der Schulleiterin gespannt habe.
Sie steigt aus dem Auto und mustert mich prüfend.
Ich sehe ihr an, dass sie nicht weiß, ob sie mich lächelnd begrüßen und umarmen oder mir damit drohen soll, mich übers Knie zu legen und zu versohlen.
Ich erspare ihr die Entscheidung, indem ich mir ein
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