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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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davonliefen. Vielleicht gingen sie davon aus, dass sie später noch Zeit haben würden, um sie aufzuspüren und abzuschlachten. Womöglich hatten sie damit Recht. Wenn sich ihnen keiner widersetzen konnte, war es nirgends sicher.
    Leof hörte auf zu laufen und blieb in der Mitte eines offenen Heufelds stehen. Das Heu hätte geerntet werden sollen. Er ließ den Schweiß auf seinem Rücken und Nacken abkühlen.
    Er hatte nichts. War nichts.
    Er sank auf den Boden, setzte sich mit übergeschlagenen Beinen hin und ließ den Kopf hängen. Er war nun kein Offizier mehr. Er war meineidig geworden. Ein Verräter. Ohne Zugehörigkeit oder Familie. Denn zu deren eigener Sicherheit durfte er keinen Kontakt mit ihr aufnehmen. Ohne Zuhause, ohne Güter, ja sogar ohne Pferd. Ein Schwert, dessen Benutzung ihm nicht länger gestattet war, besaß er noch, dazu einen kleinen Beutel Silber und einen gewebten Schilfring.
    Ob er sich an den See wenden sollte? Nur der See konnte ihr Volk vor den Geistern beschützen, davon war er überzeugt.
Er glaubte zwar, dort willkommen zu sein, aber was sollte er tun? Fischen lernen?
    Da ihm nun alles andere geraubt worden war, gab es nur noch einen Ort, an dem er sein wollte – in der Nähe von Sorn.
    Sorn war unterwegs nach Turvite.
    Eine freie Stadt, in der Verräter geschützt wurden.
    Dort konnte er vielleicht einen Blick auf sie erhaschen und sich davon überzeugen, dass sie in Sicherheit war. Sich davon überzeugen, dass sie noch lebte.
    Er hob eine Hand voll Erde auf und ließ sie durch seine Finger gleiten. Es war guter Boden, hier in der Central Domain. Voller Leben. Er wollte nicht zusehen, wie das Land zu einem nur von Geistern bewohnten Ödland wurde. Er konnte seine Dienste dem Stadtrat von Turvite anbieten oder sogar anderen Kriegsherren. Kämpfen konnte er immer noch.
    Leof klopfte sich den Dreck von den Händen und stand auf. Dabei wurde ihm ein wenig schwindlig. Er hatte eine ganze Weile weder gegessen noch getrunken … In der Nähe plätscherte ein Wasserlauf. Dorthin ging er und trank. Dann nahm er den Schilfring vom Hals und hielt ihn in den Händen. »Lady?«, sagte er, ohne mit einer Antwort zu rechnen.
    Er erinnerte sich an ihre letzte Antwort: Wenn du nicht zu deiner Mutter nach Hause gehst, musst du die Folgen tragen. Zu seiner Mutter zurückzukehren, war nun nicht mehr möglich, nicht, wenn er wollte, dass sie in Sicherheit war.
    »Ich kann jetzt nicht zu meiner Mutter nach Hause gehen, Lady«, sagte er. »Ich bin ein Verräter. Soll ich nach Turvite gehen?« Doch dieses Mal bekam er keine Antwort. Vielleicht hatte er ihre Geduld erschöpft oder vielleicht war
die Antwort so offensichtlich, dass sie sie nicht zu geben brauchte.
    Nach Turvite war es ein weiter Weg, sodass er ein Pferd stahl, eines aus Thegans Zucht von einem Hof auf der anderen Seite des Tals. Es war eine gute Stute, ein Nachkomme von dem Hengst Acton und Dancing Shoes. Nicht so gut wie Arrow, aber ausgeruht. Er nahm noch ein zusätzliches Reittier mit, einen Fuchswallach, damit er so wenig Zeit wie nur möglich verlieren würde. Er wünschte, er hätte Arrow mitnehmen können, aber er wusste, dass Thegan und sein Gefolge sie mitgenommen haben mussten.
    Aus dem Stallgehege stahl er zudem einen Sattel sowie Zaumzeug. Die Hofarbeiter hatten sich hinter Läden und Querriegeln in dem stabilsten Teil des Bauernhofs verkrochen. Er sattelte das Pferd und ritt bis vor die Tür. Wenigstens warnen konnte er sie.
    »Nehmt die Pferde und reitet nach Turvite«, rief er. »Mein Lord Thegan wird euch dort empfangen.«
    Ein Auge spähte aus einem Riss in den Läden. »Mein Lord Leof?«
    »Die Geister haben die Festung eingenommen«, informierte er sie. »Flieht, solange ihr es noch könnt. Nehmt die Pferde und reitet nach Turvite, und mein Lord wird erfreut sein.«
    Das Auge starrte ihn an, und plötzlich wurde er sich seines kurzen Haars bewusst, das ihm über das Gesicht wehte.
    »Die Festung ist gefallen?« Die Stimme des Mannes klang ungläubig, als könne er sich so etwas nicht vorstellen.
    »Ja«, sagte Leof. »Und die Geister haben jetzt auch Werkzeuge, Äxte.« Das Auge verschwand, und er hörte, wie sich drinnen hektische Aktivität entwickelte. »Viel Glück!«, schrie er und grub seine Hacken in die Flanke der Stute, um sie zu einem leichten Galopp anzutreiben. Dann ritt er
den breiten, von Gras überwucherten Weg zur Nebenstraße, die nach Süden führte. Die Hauptstraße würde mit all denen verstopft sein,

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