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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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der Dolch, die Seele der Liebe ist
die Lanze«, zitierte er. Das war ein Lied aus dem Norden, hunderte Jahre alt. Seine Mutter mochte es.
    Baluch lächelte zufrieden. »Das war eines meiner guten«, sagte er.
    Ash starrte ihn einen Moment an. Dann brach er, irgendwie schockiert, in Gelächter aus. Hatte Baluch denn jedes Lied geschrieben, das er mochte und das aus den letzten tausend Jahren stammte? Dann dachte er über dieses Lied nach, und Ernüchterung machte sich in ihm breit. Des Kämpfers Liebe . Ein Leben voller Kämpfe und Musik, das war Baluch, und dieses Lied verband sie beide. Ob Acton so vielschichtig war? War das der Grund, warum Bramble ihn liebte?
    Hinter dem Wall aus Bäumen ertönten plötzlich Stimmen. Es waren viele Stimmen, ein leises, zufriedenes Gemurmel. Sie hielten inne, um zu lauschen. Gelegentlich erhob sich eine Stimme zu einem Ruf oder Lachen.
    »Hört sich an wie ein Gasthof«, sagte Baluch.
    Ash nickte, und jetzt, da er seine Aufmerksamkeit darauf richtete, roch er Bier, Pisse und Bratwürste. »Ich glaube, das ist der Dancing Bear in Sanctuary«, sagte er. »Ich war schon einmal hier.« Mehrere Male, erinnerte er sich, während er Aufträge für Doronit ausführte. Der Gastwirt war einer ihrer Kunden. Sein Magen knurrte. Es war lange her seit dem letzten Stück Käse. »Ich könnte etwas zu essen gebrauchen.«
    »Ein Gasthof ist der beste Ort, um Neuigkeiten zu erfahren«, sagte Baluch.
    Sie traten an den Rand des grünen Vorhangs aus Weidenästen und blieben dort stehen, nach wie vor lauschend. Ash kam es gefährlich vor, diesen Vorhang beiseitezuschieben und in die Welt zurückzugehen. Er hegte die tiefe Überzeugung – es war fast wie eine seherische Fähigkeit -, dass die Welt sich verändert hatte, seit er den Fluss betreten hatte.
Dass er zu einer anderen Zeit, einem anderen Ort, ja sogar in einem anderen Land in den Gasthof gehen würde.
    Er streckte die Hand aus, schob die hängenden Weidenäste beiseite und trat in den Hof des Gasthauses.
    Am Flussufer waren Tische aufgestellt worden, die alle besetzt waren mit trinkenden Menschen, und im Gasthof hinter ihnen herrschte geschäftiges Treiben. Es war tatsächlich der Dancing Bear, der größte Gasthof am Fluss außerhalb von Turvite, so groß, dass Ash die Stadt hinter ihm nicht erkennen konnte.
    Baluch und er gingen einige Schritte auf die Trinkenden zu, die sich ihnen zuwandten.
    Mist und Pisse !, dachte Ash. Bei einem von ihnen handelte es sich um Aylmer, Doronits rechte Hand, dazu Hildie und die große blonde Elfrida sowie zwei der Brüder Dung. Der dritte Bruder Dung kam gerade aus dem Gasthof, drei Bierkrüge vorsichtig in Händen haltend. Als er Ash sah, blieb er abrupt stehen.
    Das war der Moment, in dem jeder von ihnen erstarrte. Dann schauten die anderen Aylmer an.
    »Du hast ein so dickes Fell wie ein Ochse, dass du zurückkommst«, sagte Aylmer. »Sie wird dich in Stücke reißen, und zwar langsam.«
    Einen Augenblick lang spielte Ashs Erinnerung ihm einen Moment aus der jüngsten Vergangenheit vor. Es war der Moment, als er die Rede über die sich verändernde Welt gehalten hatte, dort auf den Stufen des Hauses des Kriegsherrn, in der Hochburg des Feindes. Er hatte die Menge mit sich gerissen, hatte sie mit der Vorstellung einer besseren Welt in Hochstimmung versetzt, einer größeren Welt, in der es Gerechtigkeit für jeden gab, ob Offizier oder gewöhnlicher Mensch, ob Wanderer oder Actons Mann. Es war ein erhabenes, wunderschönes Gefühl gewesen, so lange es andauerte,
so lange sie zuhörten und auch noch hinterher, als sie zum ersten Mal Hand in Hand arbeiteten. Er war sich wie ein anderer Mensch vorgekommen, als könne er alles erreichen.
    Aber die Augen, die ihn jetzt anstarrten, sahen nur Ash, den Wandererjungen, den Doronit eingestellt und ausgebildet hatte und von dem sie hintergangen worden war. Ein Nichts. Ein Niemand. Ash spürte, wie seine Zuversicht mit der Erinnerung an Wooding verging. Hier war Sanctuary, Turvite, die echte Welt, und hier war er bloß eine Schutzwache.
    Baluch stand nach wie vor hinter ihm. Ash bedeutete ihm mit den Händen hinter dem Rücken, wegzubleiben, sich zu verstecken. Prompt glitt Baluch wieder zurück hinter die Weidenäste.
    In dieser Situation, das erkannte er, ging es nicht darum, seine Aufgabe zu erfüllen, sondern schlichtweg zu überleben. Vielleicht hatten ihn die Steine wegen dieser Begegnung hierher geschickt. Er besaß nur eine einzige Chance, Doronits Leute auf

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