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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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das Gefühl, an einer Aufgabe von immenser Bedeutung beteiligt zu sein. Es waren vor allem die Erinnerungen an den jungen Ash und an den Fluss. Er hatte jetzt ein Zuhause und einen Anteil an der Zukunft; vor einem Jahr war er ohne jede Bindung gewesen, ohne einen Ort, an dem er willkommen gewesen wäre, ohne das Gefühl, eine Zukunft zu haben. Deshalb war er Martine so beharrlich gefolgt – sie war alles gewesen, was er hatte.
    Turvite selbst hatte sich nicht verändert. Es war immer noch laut, geschäftig, übel riechend und voll von Menschen, die auch jetzt noch, da es dunkel wurde, vielerlei Geschäften nachgingen. Auch die Geister hielten sich nach wie vor dort auf; sie waren zwar blass und stofflos im Vergleich zu den Kriegern, die der Zauberer Saker um sich geschart hatte, doch trotzdem deutlich zu erkennen. Sie schauten Ash besorgt an, erinnerten sich an jenen Vorabend der Wintersonnenwende, als er ihnen auf Doronits Anordnung hin befohlen hatte, ihre Geheimnisse zu offenbaren. Das war Doronits Quelle der Macht in dieser Stadt, alle diese den Toten entlockten Geheimnisse. Es war eine schlechte Erinnerung, aber es war wichtig, sich an das zu erinnern, was er getan hatte, zu was er fähig war.
    Ein Wanderer hatte vor einem Jahr in Turvite keinerlei Aufmerksamkeit auf sich gezogen. An diesem Abend jedoch ernteten Hildie und er finstere Blicke und Gemurmel. Männer spuckten vor ihnen aus, wenn sie an ihnen vorbeikamen, und Frauen machten das Zeichen, mit dem sie sich gegen das Böse wappneten.

    »Was hat es damit auf sich?«, fragte Ash Hildie, nachdem eine Frau diese als dunkelhaarige Schlampe verwünscht hatte. Hildie zuckte nur mit den Schultern.
    »Sag nicht, du hast nichts von diesem Wandererzauberer gehört?«, antwortete Aylmer an ihrer Stelle.
    »Ich habe davon gehört«, sagte Ash. »Aber ich wusste nicht, dass die Leute sicher sind, dass es ein Wanderer ist.«
    »Lord Thegan hat es verkündet«, sagte Aylmer. »Hat es irgendwie aus dem geschlossen, was in Carlion geschehen ist.«
    Ash spürte, wie es ihm eiskalt über den Rücken lief. Wenn schon die Einwohner von Turvite, die doch berühmt dafür waren, jeden von überall zu tolerieren, auf der Straße Wanderer anspuckten – was musste dann erst im Rest der Domänen vor sich gehen? Geschichten von Massakern gab es in den alten Liedern zuhauf und zuweilen auch in denen, die nicht so alt waren. Das Generationengesetz war ursprünglich erlassen worden, damit große Gruppen Wanderer auf der Straße nicht länger angegriffen wurden – die Kriegsherren fanden, dass ihre verschiedenen Dienstleistungen zu sinnvoll waren, als dass man sie hätte verlieren wollen. In einem Anflug von Panik machte sich Ash Sorgen um seinen Vater und Flax.
    Er schickte ein Gebet an die einheimischen Götter und hörte, wie sie antworteten, indem sie seinen Namen immer wieder aussprachen, so wie es schon gewesen war, als er noch hier gelebt hatte. Damals hatte es ihn mit Panik und einem Schamgefühl erfüllt. Nun hingegen begrüßte er den Gefühlseindruck. Er nahm innerlich Kontakt mit dem Fluss auf und stellte fest, dass sie ganz entfernt, ganz tief unter der Stadt floss. Zugehörigkeit , spürte er sie sagen und war beruhigt.
    Sie stiegen den Hügel hinauf und gelangten in reichere
Viertel, in denen Laternen vor die Tore gehängt und in deren Häusern Kerzen entzündet und die Vorhänge zugezogen worden waren. Die Straßen leerten sich allmählich. Als sie ganz oben angelangt waren und an dem ausgedehnten Wohngebiet von Highmark vorbeigingen, waren sie die einzigen Passanten weit und breit.
    Dann stand er wieder vor dem Haus von Doronit, war wieder dort, wo er geschwitzt und geschmachtet und vielleicht sogar ein bisschen geliebt hatte. Er hatte immer gehört, dass Orte kleiner wurden, wenn man zu ihnen zurückkehrte, doch Doronits Haus ragte noch höher empor; sie hatte ein weiteres Stockwerk aufgesetzt, in der Fachwerkbauweise und sandfarben gestrichen, um die Sandsteinhäuser weiter oben auf dem Hügel nachzuahmen.
    Er war froh, dass es anders aussah.
    Das Arbeitszimmer allerdings sah noch immer gleich aus, und Doronit selbst, als sie schließlich eintraten, sah auch noch genauso aus wie an dem Tag, an dem er das Mädchen in der Gasse getötet hatte. Sie trug eine weite, marineblaue Hose, die sie sich in gelbe Stiefel gesteckt hatte, dazu Rock und Bluse in einem helleren Blau und ein mit einer Saphirbrosche befestigtes Umhängetuch. Und ihr Gesicht, dachte er, als er

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