Die Hoehle der Traenen
seine Seite zu bringen. Was sollte er tun? Ihm blieb nur die Wahrheit.
»Sie wollte, dass ich auf Rannys Befehl hin Martine ermorde. Ich morde aber nicht für Geld.«
Die beiden Dung Brüder kratzten sich verwirrt am Nacken. Der dritte schickte sich an, das Gleiche zu tun, und verschüttete daraufhin Bier. Dann stellte er die Krüge auf den Tisch und starrte ihn an. Feindselig verhielten sie sich nicht, aber sie waren auch nicht diejenigen, die entschieden. Es waren Aylmer und Hildie, die entscheiden würden. Ash blickte zu ihnen. Hildie sah ihn voller Verachtung an und wirkte irgendwie befriedigt, als habe sie immer schon gewusst, dass er schwach war, und sei nun froh, es von ihm bestätigt zu bekommen. Aylmer presste die Lippen zusammen,
wirkte jedoch … nachdenklich? Als wünschte er, er hätte die gleiche Wahl getroffen.
»Sie wird uns in Stücke reißen, wenn wir ihn ihr nicht ausliefern«, sagte Hildie.
»Ja«, sagte Aylmer langsam. »Das wird sie.« Es klang bedauernd, doch die Art, wie er aufstand und an Ashs Seite trat, ließ keine Zweifel aufkommen.
Ash war zu klug, als dass er gegen sie gekämpft hätte oder weggelaufen wäre. Hildie war schneller, die Gebrüder Dung stärker und Aylmer gewiefter. Sogar Elfrida hatte ihn einmal durch die Mangel gedreht. Sie alle zusammen hätten sogar Acton aufhalten können. Bei dem Gedanken schauderte er. Dann fiel ihm Baluch ein, der sich versteckte und mithörte.
»Was tut ihr hier in Sanctuary? Wer hat so viele Schutzwachen benötigt?«, wollte Ash wissen.
»Eine große Schiffsladung von Juwelen und Samt kommt den Fluss hinunter von Whitehaven«, informierte ihn Aylmer. »Der Kaufmann geht hier an Land, damit seine Rivalen keinen Wind davon bekommen. Aber erst morgen in der Frühe. Wir dachten, wir machen uns einen schönen Abend hier.«
»Und das werden wir auch«, sagte einer der Dung-Brüder und richtete es sich bequemer auf seinem Stuhl ein. »Es ist nicht nötig, dass wir ihn alle zu Doronit bringen.«
Aylmer sah ihn mit festem Blick an. »Nun, wenn ihr euren Anteil an der Belohnung nicht haben wollt, soll mir das nur recht sein. Komm, Hildie. Ich denke, wir beide können ihn unter Kontrolle halten.«
Hildie lachte. »Aber sicher doch«, sagte sie. »Los geht es, Kumpel.« Sie trat hinter Ash, und er spürte, wie sie ihm ein Messer an den Rücken stieß. Hildie und er waren Kollegen gewesen, aber er wusste, dass sie nicht zögern würde, dieses Messer zu benutzen. »Es wäre mehr Arbeit, dich mit
durchgeschnittenen Sehnen zu Doronit zu bringen, aber wir könnten es«, sagte sie.
Er lachte. »Ja, das ist sicher.« Er fühlte sich geradezu frei; er konnte hier keine Entscheidungen fällen außer der, mit ihnen zu gehen oder beim Kampf zu sterben, und das war überhaupt keine Wahl.
Sie begleiteten ihn aus dem Hof des Gasthauses hinaus, Aylmer neben ihm, Hildie direkt hinter ihm. »Hier schließt sich also der Kreis für dich, Kumpel«, sagte sie.
»Noch nicht ganz«, erwiderte Ash.
Sanctuary ging fast in Turvite über. Häuser und Gärtnereien säumten die Straße zwischen den beiden Ortschaften, und auf halber Strecke befand sich ein weiterer Gasthof, der Last Chance hieß. Die letzte Chance, ein gutes Bier zu trinken, bevor man die Stadt verließ, oder die letzte Chance, ein Bier zu Landpreisen zu trinken? Beides vielleicht. Seine gute Laune dauerte an, und am Rande seines Hörvermögens vernahm er, wie Baluch Des Kämpfers Liebe vor sich hin pfiff. Also folgte er ihnen, ohne zu versuchen, ihn zu befreien. Auch gut.
Er tat so, als habe er ein Steinchen im Schuh, und als er sich bückte, um es zu entfernen, sah er, dass Baluch sie beobachtete. Er stand hinter einem Haus knapp hundert Meter hinter ihnen. Ash schüttelte den Kopf und schnippte unauffällig mit den Fingern, um ihm zu signalisieren, nein, versuche es erst gar nicht. Baluch wirkte verwirrt, nickte aber und verschwand hinter der Ecke des Hauses. Ash wusste, dass Baluch nichts Törichtes unternehmen würde. Er war einst ein Kämpfer gewesen, war jetzt jedoch kein Gegner mehr für Aylmer oder Hildie.
Während sie in Richtung des eigentlichen Turvite gingen, schritten sie den lang gezogenen Hügel hinauf, den Martine
und er sich etwa ein Jahr zuvor in jenem Sturm hinuntergequält hatten. Im Vergleich zu dem Jungen, der Turvite verlassen hatte, kam Ash sich vor wie ein anderer Mensch, wusste aber nicht genau, warum. Es lag nicht bloß an der Zeit, die vergangen war. Es war noch nicht einmal
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