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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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hilflos, kaum im Stande, in Anbetracht des ohrenbetäubenden Geräuschs in ihrem Kopf einen klaren Gedanken zu fassen. In diesem Moment hörte das Rufen von oben abrupt auf.
    Mit der Kühle der Grabhöhlen umklammerte seine Hand die ihre, packte sie und entglitt im nächsten Moment wieder, während das jaulende Geheul verstummte. Der Zauberer hatte weitere Geister herbeigerufen, begriff sie, und Acton befand sich im Einflussbereich seines Zauberspruchs.
    »Halt ihn fest!«, rief sie Baluch atemlos zu. Der Zug, der oben vom Hügel ausgeübt wurde, war sehr stark. »Wir müssen
ihn hier festhalten!« Sie stemmte die Beine in den Boden, doch obwohl auch Acton mit seiner massigen Statur gegen den Zug ankämpfte, wurden sie dorthin gezerrt, bis Baluch sein ganzes Gewicht dazu einsetzte, sich von weiter oben am Hang gegen Acton zu lehnen.
    Am Hafen unter ihnen tauchten Geister auf und preschten an ihnen vorbei, Matrosen, Stadtbewohner, all diejenigen, die vor Kurzem gestorben waren.
    Acton schüttelte den Kopf, als wolle er ihn freimachen. Dann spannte er sein Gesicht konzentriert an und setzte die Miene auf, die ihr so vertraut war. Schließlich blieb er einfach stehen, unerschütterlich wie ein Berg.
    Bramble und Baluch tauschten Blicke aus, und sie rangen sich beide ein Lächeln ab. Wenn dies ein Zweikampf des Willens war, so hatten sie keine Zweifel, wer ihn für sich entscheiden würde.
    Es war, als würde Acton Wurzeln in den Boden treiben, sodass seine Füße so fest wie eine Eiche standen. Doch es ging nicht einzig um den Willen, sondern auch um Macht und darum, gegen seinen Willen benutzt zu werden, und selbst eine Eiche kann von einem Sturm, der stark genug dafür ist, umgeworfen werden.
    Acton offenbarte seine besten und seine schlechtesten Seiten. Als seine Willensstärke ins Straucheln geriet, trat Hartnäckigkeit an ihre Stelle. Sie sah, wie es geschah, sah den störrischen Ausdruck auf seiner Miene, den gleichen Ausdruck, den er aufgesetzt hatte, als er sich daran gemacht hatte, das Reich des Eiskönigs zu erkunden.
    Ihre Hände auf seinen eiskalten Armen wurden allmählich taub. Bald würde sie ihn nicht mehr halten können, und was dann? »Götter des Feldes und des Wasserlaufs«, zischte sie und hielt ihn weiter fest. »Götter des Himmels und des Windes, Götter der Erde und des Felsens, helft uns!«

    Ihre Schultern und Beine brannten vor Anstrengung. Sie schaute ihn an und lachte in sich hinein – so hatte sie sich das nicht vorgestellt, ihn zu berühren, in jenem Moment damals auf dem Berghang, als er und sie am Leben gewesen waren. Als habe er den Gedanken aufgeschnappt, grinste er sie an und blies ihr einen Kuss zu. Nun lachten sie beide stumm, während Bramble nach Luft rang und nur ihren eigenen Herzschlag und Baluchs keuchenden Atem hörte.
    Plötzlich nahm Bramble ein Geräusch über sich wahr. Stimmen waren es nicht, eher eine Art Flüsterlaut, so wie das Geräusch von Menschen, die leise über Gras schlichen.
    Acton schien mittlerweile fest verwurzelt, so als nehme der Zauber an Kraft ab.
    Sie ließ Actons Arme los und wartete einen Moment, um sicherzugehen, dass er fest stand. Dann legte sie einen Finger auf ihre Lippen und kletterte halb gebückt den Hügel hinauf, sich mit den Händen an dem steilen Abhang abstützend. Bevor sie den Gipfel erreichte, legte sie sich hin und kroch hinauf, um über den Rand zu spähen.
    Geister. Hunderte von ihnen.
    Es waren viele, viel mehr als die, welche an diesem Morgen die Stadt angegriffen hatten. Es mochten sogar Tausende sein.
    Stumm durchstreiften sie in kleinen Gruppen das Hügelland. Immer mehr stießen zu ihnen, durch den Zauber an diese Stelle gezwungen, genauso wie Acton es dorthin gezogen hatte. Sie flogen, wie es schien, oder kamen aus dem Boden heraus und nahmen auf dem Hang vor einem Mann Gestalt an. Vor Saker, dem Zauberer.
    Es war das erste Mal, dass sie ihn von Nahem zu sehen bekam, und sie war enttäuscht. Er war bloß ein normaler Mann. Nicht alt, nicht hübsch, nicht hässlich, nicht groß
oder klein oder in irgendeiner Weise ungewöhnlich. Bloß ein Mann, an dem sie auf der Straße wohl vorbeigegangen wäre.
    Wie konnte dieses … Nichts verantwortlich sein für so viel Leid?
    Er wirkte erschöpft, und als erst immer weniger neue und schließlich gar keine Geister mehr dazukamen, sank er zu Boden. Gut. Acton sollte jetzt frei sein. Aber sie kehrte noch nicht sofort zurück, weil hier etwas geschah.
    Die wenigen Menschen und einige der

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