Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
brachten die natürlichen Schwellen im Verstand des Menschen zum Verschwinden und entfesselten Ungeheuer. Wie recht der Swami mit seiner anfänglichen Warnung doch gehabt hatte. Es lag eine besondere Gefahr in den Animationen. Der Swami hatte gewußt, wovon er sprach.
    Doch Bruder Paul konnte immer noch nicht glauben, daß dieser Mann wirklich böse gewesen war. Der Swami hatte sich in seiner menschlichen Gestalt gut um Carolyn gekümmert; war ihm seine Verwandlung in Großfuß bewußt gewesen? Wahrscheinlich nicht.
    Wenn der Swami ein Krimineller gewesen wäre, hätte er nicht eine Animation benötigt, um Frau und Tochter zu töten. Die Animation schien einem besondere Fähigkeiten zu verleihen, genau wie dies bei Therion und seiner Stärke im Judo gewesen war, als er das Ungeheuer Apollyon spielte, doch das war eigentlich Bruder Pauls Werk gewesen: Er hatte Therion mit einer Begabung ausgestattet, die ihm eigentlich fehlte, und dieser hatte, angeleitet durch die Rolle, bloß geschauspielert. Doch die Kraft des Swami war echt gewesen. Die ungeheure Größe und Massigkeit von Großfuß waren natürlich durch die Animation verstärkt worden, doch das ki, mit dem er Bruder Pauls Angriffe hatte abwehren können, war echt. Wäre die physische Kraft des Swami in den Bereich der Aura gedrängt worden, wie es bei Bruder Paul der Fall war, hätte der Swami in den Animationen auf ähnliche Weise zum Zauberer werden können. Aber er hatte sich auf nur eine einzige Sache konzentriert: Großfuß.
    Dies war der private Krieg eines Menschen zwischen seinem Bewußtsein und dem Unbewußtsein gewesen, Dr. Jekyll und Mr. Hyde – zwei unversöhnliche Naturen. Schizophrenie. Nur Satan allein wußte, wie tief religiöse Strömungen in einigen Individuen rannen. Bruder Paul merkte, daß er die Motive des Swami niemals gänzlich verstehen würde. Seine eigenen Kinder töten …
    Jetzt war das Mädchen Vollwaise. Ihre Mutter war getötet worden, der leibliche Vater zum Ungeheuer geworden und der in der Animation adoptierte Vater zum Mörder. Rechtlich gesehen war es gerechtfertigter Totschlag oder Notwehr. Lee war Zeuge des guten Glaubens von Bruder Paul. Aber in den Augen Carolyns …
    An der Tür klopfte es langsam. Es war Zeit zu gehen. Bruder Paul öffnete, und dort stand Lee.
    „Oh, ich hatte gedacht …“
    „Bald, aber noch nicht“, sagte Lee ernst. „Ich bedauere, dich dieses Mal mit einem persönlichen Anliegen belästigen zu müssen, aber ich habe keine andere Wahl.“
    „Komm herein und setz dich“, sagte Bruder Paul herzlich. „Ich stecke tief in einer Depression und brauche Ablenkung, wenn ich sie vielleicht auch nicht verdiene. Ich habe meinen Auftrag nicht erfüllt, habe religiösen Aufruhr in dieser Kolonie gestiftet und ein unschuldiges Kind zur Waise gemacht. Der Planet Tarot hat Besseres verdient!“
    Lee sah ihn direkt an. Er war ein gutaussehender Mann, dessen starker Charakter sich auch in seinen Zügen zeigte. Er sah in der Tat Christus ähnlich.
    „Wen, zum Teufel, denkst du, willst du eigentlich zum Narren halten?“ fragte er geradeheraus.
    Bruder Paul lachte fast über die unerwartete Antwort. Doch im Kontext der Animationen waren Christus und die Hölle miteinander gleichzusetzen.
    „Ich hoffe, niemanden zum Narren zu halten. Ich werde einen ehrlichen Bericht abgeben, unterstützt durch die Hologramme, die aufzuzeichnen man mich gebeten hat, und dann zur Station meines Ordens zurückkehren und dort versuchen, mein Gewissen wieder in Ordnung zu bringen. Ich würde mich bei dir und anderen auf dieser Welt entschuldigen, wenn das nicht so lächerlich unzureichend wäre.“
    Lee schüttelte den Kopf. „Ich habe mich selbst in die Hölle geschickt, und ich hatte es auch verdient. Du hast mich darauf gebracht, meine Denkirrtümer zu bemerken, indem du mich mit der wahren Sünde konfrontiert und sie exorziert hast. Jetzt hast du dich anscheinend selbst in die Hölle geschickt – und mir kommt es zu, dir meinerseits einen Gefallen zu tun. Paul, dein Auftrag wurde erfolgreich beendet, du hast dieser Kolonie die Antwort gebracht, die sie brauchte und verdiente, und du hast ein wunderbares Geschöpf vor dem Tod gerettet. Ich habe dich in der Hölle gesehen und kennengelernt, wie man einen Fremden nur kennenlernen kann. Du bist entschlossen und aufrichtig und ein großer, guter Mensch. Du kommst einem lebendigen Heiligen so nahe, wie ich mir das nur vorstellen kann.“
    Dieses Mal lachte Bruder Paul wirklich.

Weitere Kostenlose Bücher