Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
jedoch rechtzeitig.
    Wieder flackerten die Lider. „Steine …“, keuchte sie.
    Alle kleinen Mädchen hatten hübsche Steine gern. Das war nur richtig so. „Am Flußufer“, sagte er eindringlich. „Alle Farben, runde, einige mit braunen Streifen. Jeder anders, jeder für sich kostbar – weil er dir gehört, weil du ihn schätzt. Nichts kann ihn ersetzen.“ Einer Idee folgend, griff er in die Tasche und wühlte dort herum. Er fand, was er gesucht hatte, zog es heraus, drückte es ihr in die Hand und schloß ihre Finger. „Ein Stein!“ sagte er. „Das Wunderbarste, was es gibt. Ein kleines Stückchen von Gott.“
    Ihre Hand spannte sich um den Stein herum. „Ja …“
    „Das Wunderbarste, was es gibt – außer kleinen Mädchen“, fügte er hinzu. „Ohne dich ist der Stein nichts. Er braucht dich. Paß gut auf ihn auf!“
    Sie wurde von einem Schock des Erkennens durchzuckt und riß die Augen auf. Sie blickte ihn an. Plötzlich waren ihre Augen groß und blau, zu groß für ihr Gesicht und rührend schön. Die Lippen zitterten. „Onkel“, flüsterte sie.
    „Ein Wunder!“ rief die alte Frau aus. „Sie ist aufgewacht!“ Freudentränen rannen ihr über das Gesicht.
    Wieder spürte Bruder Paul auch auf seinem Gesicht Tränen. Sanft drückte er die kleine Hand. „Ruh dich aus, mein Schatz. Ruh dich aus. Gott ist bei dir.“ Und dies war nicht Teil seiner Rolle in irgendeinem Stück. Niemals zuvor war er ehrlicher gewesen.
    „Gott …“, wiederholte sie leise.
    „Vertraue nur auf ihn. Du bist sein Kind. Niemand steht zwischen dir und ihm. Vertraue ihm deine Seele an. Er wird dich nicht verraten .“ Wieder drückte er die Hand. „Gott liebt dich. Das mußt du fest glauben.“ Doch es lag mehr in diesen Worten, denn wenn er Gott sagte, meinte er auch ‚Ich’. Dies war auch sein Kind, und er liebte es. Und war es wirklich Gott gewesen, der es gerettet hatte – oder Satan?
    „Ich glaube …“, sagte sie pflichtschuldig.
    „Ich glaube …“, echote die alte Frau.
    „Es ist eine Wunderheilung“, sagte der Mann.
    Das Kind schloß die Augen wieder. Jetzt schlief es, ein kleines Lächeln um die Lippen, den Stein fest in der Hand. Bruder Paul ließ es los und stand auf. „Es geschieht nach Gottes Willen“, sagte er. „Ich weiß nicht, ob Gott sie heute zu sich nimmt – oder in zwanzig Jahren. Aber sie ist ein Geschöpf Gottes – wie wir alle.“
    „Ja, Onkel“, stimmte die alte Frau zu. „Wie wunderbar ist der Glaube, den du bringst.“
    „Es ist die Liebe, die Jesus Christus den Menschen gebracht hat“, sagte Bruder Paul. Und fügte stumm hinzu: Danke, Jesus!
    Er wollte zurück an seine Tarotvorstellung gehen – entschied sich jedoch dagegen. Die Wiedererweckung des Kindes enthielt eine bessere Botschaft als alles andere. Wenn es ihm wirklich besserging und nicht nur vorübergehend …
     
    Am nächsten Morgen machte sich Bruder Paul wieder auf den Weg nach Worms. Er wußte bereits viel mehr über das Tarotspiel, als er jemals zu erfahren gehofft hatte – aber es schien, als sei sein ‚Wunsch’ immer noch nicht gänzlich in Erfüllung gegangen. Er hoffte, das kranke Kind würde sich richtig wieder erholen. Im gegenwärtigen Stadium war dies ungewiß. Er hatte Vorkehrungen treffen wollen, um über seinen Zustand auf dem laufenden gehalten zu werden, wußte aber, daß es keinen sicheren Weg dafür gab. Selbst eine rätselhafte Botschaft wie: DIE LAMPE IST ANGEZÜNDET oder DIE LAMPE IST ERLOSCHEN konnte für das Leben des Boten ein Risiko bedeuten – und vielleicht auch für das des Kindes. Was würde die Inquisition gegen den lebendigen Beweis der Heilung durch einen Ketzer unternehmen? Und die Bauern konnten sich kaum frei bewegen. Sie waren durch die Bande des Feudalsystems an ihren Ort gebunden. Jeder, der nicht zur verabredeten Zeit seinen Zins bezahlte oder auf dem Anwesen seines Herrn diente oder regelmäßig zur Messe erschien, geriet in Schwierigkeiten.
    Bruder Paul mochte die Rolle des barba nicht, doch nun schien es keinen Ausweg daraus zu geben. Nur Soldaten, fahrende Sänger und der Adel konnten sich frei bewegen, ohne nach dem Weg gefragt zu werden. Soldaten zogen in Gruppen umher, und die Herren und Priester hatten Pferde und Begleitung. Wären die Soldaten, denen er begegnet war, klüger gewesen, hätten sie gegenüber einem zu Fuß allein reisenden Priester mißtrauisch sein müssen; glücklicherweise war der dreiste Coup des Gauklers jedoch gelungen. Bruder Paul würde

Weitere Kostenlose Bücher