Die Hölle von Tarot
entrüstet und hellwach. „Was ist das denn?“ fragte er und hob die Karten auf.
„Ein Werkzeug der Gaukler“, entgegnete Abraham rasch. „Er führt damit Zauberkunststücke für die Bauern vor.“
„Zauberei ist Ketzerei“, meinte der Dominikaner, erneut mit bedrohlicher Stimme.
„Aber nur auf der Bühne“, sagte Bruder Paul. Warum mußte das passieren? Das Schlimmste! Natürlich war das Satans Werk. „Geschicklichkeit mit den Händen. Ich kann es Euch vorführen.“
Doch der Bruder betrachtete bereits die einzelnen Karten. „Viele scheinen normale Karten für einen solchen Zweck zu sein. Aber andere scheinen mir komplizierter.“ Er hielt die Karte der Täuschung mit der sinistren Monddarstellung hoch. „Welche Bedeutung hat diese hier?“
„Das scheint ein astrologisches Motiv zu sein“, warf Abraham rasch ein. „Ich habe die Astrologie und andere Zaubereien eingehend studiert …“ Er lächelte über den Gesichtsausdruck des Dominikaners. „Seht nicht so schockiert aus, Bruder! Uns Juden ist die Zauberei nicht verboten. Ganz im Gegenteil, wir haben sie oft gebraucht, um uns in diesem christlichen Land unserer Haut zu erwehren.“
Bruder Paul wußte, was er meinte. Die Juden waren im Besitz der mächtigsten Zauberei in Form der Kabbala, Quabal, Cabal oder wie immer man es nannte. Das Wissen darüber hatten sie so gut geheimgehalten, daß es den Christen dieses Zeitalters unbekannt war. So bestand zwischen der Kabbala und dem Tarot keinerlei Verbindung, wenn auch spätere Experten ihr Bestes gegeben hatten, um diese herzustellen.
„Das soll Astrologie sein?“ fragte Bruder Thomas zweifelnd, Astrologie wurde, wie sich Bruder Paul vage erinnerte, im Mittelalter eher als Wissenschaft denn als Zauberei angesehen. Daher galt sie nach kirchlichen Kriterien nicht als Ketzerei. Einige Kirchengelehrte waren in der Tat gleichzeitig Astrologen. „Wo ist das Horoskop?“
„Das ist das gesamte Spiel“, antwortete Abraham ausweichend. „Die Symbole wurden nicht auf Karten verzeichnet, sondern auf den einzelnen Spielkarten, und die Stellung der Karte deutet das Ergebnis an. Das hier ist offensichtlich das Symbol des Mondes.“
Wieder durchbohrte der spähende Blick des Mönches Bruder Paul. „Bruder, praktiziert Ihr für Euer Publikum die Weissagung?“
„Nein“, erwiderte Bruder Paul ehrlicherweise. „Was diese Bilder hervorrufen, besteht nur im Kopf des Betrachters. Wenn man in einer normalen Mondkarte ein astrologisches Symbol sieht und Ihr mir dafür eine Münze zahlt, dann seid Ihr ein Narr, und ich werde reicher.“
Bruder Thomas zögerte, lächelte dann aber. „Es gibt in dieser Welt viele Narren“, sagte er. Wieder wandte er sich um und legte die Karten auf den Tisch zurück. „Mich dünkt, Bruder, daß Ihr, wenn Ihr hungrig seid, nicht an der Dummheit der Leute vorübergeht. Und der größte Narr von allen ist der Jude, der an die Magie glaubt.“
Wieder bekreuzigte er sich und ging hinaus.
„Dieser Heuchler“, murmelte Abraham. „Seine gesamte Kirche basiert auf Magie. Der Grund für die Verbrennung der Ketzer ist doch einfach, daß diese die Zauberei außerhalb ihrer Kontrolle praktizieren; sie können einfach keine Konkurrenz ertragen. Jesus Christus war ein Zauberer; er hat Wasser zu Wein verwandelt, und ein paar Brotkrumen reichten, um Tausende zu speisen. Ich bin offen auf der Suche nach Zauberei … und ich bin sicher, daß ich sie auch eines Tages finden werde.“
Bruder Paul merkte, daß er ihm insgeheim zustimmte. „In der Religion gibt es eine Menge Heuchelei. Aber warum habt Ihr mir geholfen, wo Ihr wußtet, daß ich keine echte Zauberei betreibe?“
„Nun, das habe ich nicht gewußt“, entgegnete Abraham freiheraus. „Ich hielt die meisten Eurer Tricks für harmlos. Aber ich habe von den Waldensern und ihren Karten gehört, und ich dachte, ihnen hafte ein Zauber an. Daher …“ Er brach ab, und seine Miene zuckte beunruhigt. „Der Bruder hat sich zweimal bekreuzigt. Zweimal!“
„Das tun Mönche oft“, stimmte Bruder Paul zu.
„Ja, wenn sie herausgefordert oder bedroht werden. Aber Bruder Thomas war im Fortgehen begriffen. Warum sollte er sich bekreuzigen, wenn er einen Juden verließ?“
Bruder Paul wurde langsam müde und wollte schlafen. „Vielleicht wollte er sich vor Ketzerei schützen?“
Abraham schüttelte in entschiedener Bestätigung den Kopf. „Er hat sich bekreuzigt, weil er sicher war, etwas Böses sei anwesend. Seiner verdrehten
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