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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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hätte.
    Natürlich konnte er einfach aus der Kutsche springen und losrennen – aber gewiß würden ihm berittene Wachen folgen. Hier bot sich keine Chance! Er mußte einfach abwarten, bis sich eine Gelegenheit ergab – wenn sie überhaupt jemals kam.
    Der Palast war sowohl von den Abmessungen her als auch wegen seiner Ursprünglichkeit beeindruckend. Sie betraten eine mächtige Eingangshalle, von der aus Türen zur Küche führten. Er erkannte dies an den beständig mit Platten voller Fleisch, Fisch, Wild, Geflügel, Gebratenem und Torten hindurcheilenden Dienern.
    Plötzlich wurde Bruder Paul hungrig. Man hatte ihr Erscheinen wohl sorgfältig geplant, um ihm die Hauptmahlzeit des Tages vorzuführen. Er war so mit seinem Durst beschäftigt gewesen, daß er überhaupt nicht bemerkt hatte, daß er den ganzen Tag über noch nichts gegessen hatte. Jetzt war es ihm allerdings sehr bewußt!
    „Der König scheint noch nicht angekommen zu sein“, bemerkte Yvette. Bruder Paul wußte nicht, wie sie dies wissen konnte, denn dieser Raum war voller Menschen, die herzhaft an langen Tafeln speisten. Viele trugen pelzverbrämte Umhänge und Roben, denn es war kühl. Bruder Paul wäre gern ebenfalls etwas wärmer gekleidet gewesen.
    Sie merkte es. „Friert Ihr? Kommt herüber zum Feuer.“ In der Mitte der Halle befand sich ein erhöht aufgebauter Kamin, in dem ein großes Feuer loderte. Aber es gab keinen Abzug. Der Rauch stieg auf und breitete sich in dichten Schwaden aus, bis er die Öffnung hoch oben in der Decke fand. Nun, immerhin wärmte dieses Kaminfeuer. Kein Wunder, daß man eine große Eßhalle benötigte; andernfalls hätte der Rauch jeden erstickt.
    „Laßt mich Euch Essen und Wein holen“, bot Yvette tröstend an.
    Versuchung! „Ist das erlaubt?“
    „Natürlich. Ihr seid hier zu einer Audienz mit dem König – er würde nicht dulden, wenn man Euch nicht anständig behandelte. Ihr werdet hier immer gut zu essen haben.“
    Das war nicht genau das, was er gemeint hatte. Nun, er würde es versuchen. „Wenn ich nur etwas zu trinken haben dürfte.“
    „Wenn der König kommt, wird man eine Fanfare hören und dann schweigen. Ihr müßt Euch dem königlichem Gefolge zuwenden und Euch verbeugen. Ansonsten bleibt einfach hier und wärmt Euch.“ Sie sprang davon und schwenkte die Hüften, was durch das Kleid wundervoll betont wurde. Nun kam die Prüfung: Erlaubte seine Rolle, dem Durst nachzugeben und die Zwangsmaßnahme des Dominikaners zu unterlaufen?
    Bruder Paul sah sich um. Was könnte ihn aufhalten, wenn er einfach aufstand und hinausging? Außer Hunger und Durst natürlich. Sein Blick fiel auf einen Wachtposten im Windfang neben der Tür. Unbewacht? Ha!
    Dann konzentrierte er sich auf etwas Positiveres: die sich unter dem Essen biegenden Tische. Man hatte gleichzeitig viele verschiedene Gerichte aufgetragen, und nach kurzer Betrachtung konnte er eine Reihe mit ziemlicher Sicherheit identifizieren. Rindermarkstücke, ein beliebtes Gericht im Mittelalter, große Stücke gebratenen Fleisches, Suppe mit Speck, Zuckerwerk, Hühnerfrikassee mit Reis, gekocht in Mandelmilch, mit Zucker gewürzt und eingekocht. An wieviel er sich jetzt erinnern konnte, da seine Sinne durch den Hunger geschärft waren! Er hoffte, Yvette würde ihm etwas davon bringen.
    Aber zunächst hoffte er auf etwas zu trinken. Sie hatte auf seine Bitte nicht direkt geantwortet; bis er etwas an die Lippen bekam, konnte er nicht sichergehen, ob dies nicht eine verschärfte Folter bedeutete. Vielleicht gestattete man ihm von durstig machenden Speisen so viel zu essen, wie er wollte, und versagte ihm dann die Flüssigkeit.
    Unter den Tischen kauten Hunde an Knochen und Resten herum. Hier gab es keine Abfallprobleme. Die Essenden rissen mit den Händen Fleischstreifen von den Knochen und leckten offen die Finger ab, ehe sie wieder zulangten. Ein Adliger hatte offenbar eine Erkältung; er schneuzte sich geräuschvoll mit Daumen und Zeigefinger, wischte die Finger am Gewand ab und fischte im nächsten Topf nach einem ordentlichen Stück. Es gab weder Servietten noch Eßbestecke.
    Man hörte einen Klang wie von einem Hörn, gefolgt von kurzem, erstauntem Schweigen. Die Fanfare, die die Ankunft des Königs verkündete? Nein, ein falscher Alarm; jemand hatte so heftig Wind gelassen, daß man es über die allgemeinen Eßgeräusche und das Geplauder hinweg gehört hatte. Die Leute in dieser Ecke prüften die Luft in der einen oder anderen Richtung, schnitten

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