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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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ich bedauere, darauf hinweisen zu müssen, daß Ihr dazu kein Wasser bekommen werdet.“
    Durst – das wirksamste Druckmittel. Je länger Bruder Paul zögerte, desto schlimmer würde es werden. Hatte Lee seine Empfindlichkeit gegenüber Durst gekannt, die aus dem Elend seiner Kindheit herrührte, oder hatte er einfach gut geraten? Die Folter hatte bereits begonnen.
    Wieder zurück in seinem Zimmer, überprüfte Bruder Paul noch einmal die vergitterten Fenster. Hier gab es keine Hoffnung. Sie waren fest verbarrikadiert und öffneten sich auf einen Innenhof. Er würde den normalen Weg über Flure und Türen nehmen müssen – die sicher bewacht waren. Natürlich verfügte er über besondere körperliche Fähigkeiten; die Mönche konnte er überwinden, indem er sie während der Nacht besonderen Judogriffen aussetzte …
    Nein. Zunächst einmal war er krank; die Lungenentzündung hatte sich während der Ruhepause abgeschwächt, doch er hatte noch Fieber und verspürte einen Druck auf der Brust, die eine Anfälligkeit der Lungen signalisierte. Kampf und Flucht würden bald zu einem möglicherweise fatalen Rückfall führen – aber nicht so schnell, um sie daran zu hindern, ihn wieder für die Folter hochzupäppeln. Zweitens wußte er, daß diese Mönche bloß Schauspieler mit einer realen körperlichen Existenz waren – er hatte kein moralisches Recht, an ihnen Gewalt zu verüben.
    Doch die Alternative zur Flucht hieß Folter – oder Verrat. Wenn man ihn folterte, würde er wahrscheinlich sowieso beichten, aber vielleicht würden die anderen durch die gleichen Überlegungen zurückgehalten, die ihn zurückhielten – Vernunft, Freundschaft und Moral –, und nach einer symbolischen Bestrafung nachgeben. Dann könnte ihm der Durchbruch gelingen. Doch wenn Lee seine Rolle mit vollem Einsatz spielte, dann tat die Folter wirklich weh. Es blieb also die Unwägbarkeit. Er vernahm ein leises Klopfen an der Tür. „Ich bin hier“, rief er bitter. Als sei dies eine Frage!
    Die Tür öffnete sich. Dort stand Yvette. Sie hatte das Gewand gewechselt und sah nun mehr italienisch aus, mit geflochtenem Haar, das ihr wie eine Krone um den Kopf gesteckt war. Das Kleid war um den Oberkörper herum eng geschnitten. Die Ärmel umschlossen die Handgelenke, während der Ausschnitt die Kurven ihrer Brüste nachzog. Er verlief von den Rundungen der Schulter bis zum Brustansatz. Hinten fiel das Kleid zu einem Umhang, dessen Weite mit der Hand gerafft wurde. Es war alles in allem von schlagender Ähnlichkeit mit den frühen Tarotillustrationen und dem männlichen Betrachter höchst angenehm. Aber so war das natürlich immer mit Amaranth; in welcher Rolle sie auch immer auftrat – sie wirkte anziehend. Die Frage war nur: Führte sie noch etwas anderes im Schilde?
    „Kommt“, murmelte sie verschwörerisch. „Der König hat Euch eine Audienz gewährt.“
    „Was?“ Er war durch ihr Gewand abgelenkt worden.
    „König Karl VI.“, sagte sie und winkte ihm. „Ich habe ihm von Euren Zauber karten erzählt, und er ist daran interessiert. Das ist Eure Chance!“ Sie nahm ihn beim Arm und zog ihn hinaus.
    Nun, immerhin die Chance zu einer Ruhepause. Bruder Paul ließ sich durch die stillen Gänge hinaus in eine Kutsche führen, deren Dach so tief herabgezogen war, daß man von außen nicht hineinblicken konnte. Es war ein holpriger Weg, aber recht bequem so dicht neben Yvette.
    Sie wandte sich ihm freudig zu. Offensichtlich hatte sie seine anfängliche Zurückweisung nur vorübergehend schockiert. Wie ein gesundes junges Tier kam sie fröhlich zu einem zweiten Versuch heran. Und verführerisch war sie wirklich: Die Brüste drohten, sich gänzlich aus dem Kleid herauszuschälen. Sie hätte oberhalb der Taille ebensogut nackt sein können. Doch was nützte ihm das? Er war ein Eunuche, und die Erregung fand ausschließlich in seinem Kopfe statt.
    „Ich bewundere Männer mit Disziplin“, sagte sie. „Wenn Ihr doch nur dem König diesen Dienst erweisen würdet.“
    Bruder Paul zuckte lediglich die Achseln. Er war traurig, daß er die schöne Stadt Paris nicht sehen konnte. Selbst im vierzehnten Jahrhundert mußte sie sehenswert gewesen sein! Offensichtlich arbeitete Yvette mit Bruder Thomas zusammen, ein Gespann unter der Anweisung des Teufels, und versuchte, ihn zu dem Verrat zu verlocken, den er nicht begehen wollte. Beide sorgten daher dafür, daß er nichts von der Gegend erkannte, was eine mögliche Flucht vielleicht erleichtert

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