Die Hoffnung ist gruen
Schattenseite tief in mir drinnen begegnet war. Acht Jahre war ich damals, Lisa sechs und gerade zur Schule gekommen. Ich schaffte es einfach nicht, dieser tiefen Traurigkeit zu entkommen. Sie hielt mich fest gefangen und lähmte jeden Antrieb in mir. Doch dann war ich Haro Bartels im FuÃballverein begegnet.
Frau Dillert, meine Klassenlehrerin, hatte zu mir gesagt, ich sollte dort einfach mal hingehen. Sie hätte mich schon ein paarmal beim FuÃballspielen auf dem Pausenhof gesehen und wäre der Meinung, dass ich sehr talentiert sei.
âIch habe nicht viel Ahnung von FuÃball, Mariusâ, hatte sie damals zu mir gesagt. âAber das, was ich so beobachtet habe, das sieht nach ziemlich viel Talent aus. Du solltest in einem Verein spielen, damit man dort dein Talent richtig fördern kann.â
Ich war ihr unglaublich dankbar dafür. SchlieÃlich hatte ich bis dahin meistens nur mit Erwachsenen zu tun, die mir ständig vorhielten, was ich alles
nicht
konnte. AuÃer meiner Mutter. Aber die war ja nun nicht mehr da.
Am Ende meiner Grundschulzeit wollte ich mich deshalb bei meiner Klassenlehrerin bedanken. Doch ihre Reaktion hatte ich mir ganz anders vorgestellt.
âMarius, ich hatte damals wie heute keinen blassen Schimmer vom FuÃball. Und ob du Talent hast oder nicht, das wusste ich auch nicht. Aber in einer Sache war ich mir ganz sicher, du brauchtest eine Perspektive. Sonst wärst du untergegangen, nach dem Tod deiner Mutter. Du warst so traurig, geradezu depressiv.â
Als ich nichts erwiderte, sie nur aus groÃen, ungläubigen Augen anstarrte, wollte sie von mir wissen: âUnd? Hast du Talent? Ich meine so richtiges Talent, dass es für dich sogar eine Zukunftsperspektive sein könnte?â
Zur Antwort hatte ich mit dem ganzen Oberkörper genickt.
âNatürlich. Ich bin der beste Spieler in meiner Mannschaft. Das sagen alle.â
Frau Dillert hatte geschmunzelt und erwidert: âEs ist immer gut, irgendworin der Beste zu sein. Aber die gröÃere Kunst ist es, nicht der Beste zu sein und dennoch nicht den Mut und die Hoffnung zu verlieren. Verstehst du das?â
Wieder hatte ich genickt, aber in Wirklichkeit kein Wort verstanden.
Jetzt verstand ich es. Nach all den Jahren begriff ich endlich, was sie mir damals sagen wollte.
Und diese Erkenntnis machte mir Angst. Und gleichzeitig wütend. So wütend, dass ich keine andere Wahl hatte, wie ein Bescheuerter gegen die Wand zu boxen. So lange, bis die Haut an meinen Händen aufplatzte und die physischen Schmerzen schlimmer als die psychischen wurden.
Erst dann war ich in der Lage, in mein Zimmer zu gehen. Und dort fand ich die Supernervensäge Karim vor und hatte das Gefühl, noch mehr auszurasten, wenn der Typ sich nicht augenblicklich in Luft auflöste. Der Gedanke, dass er aus meinem Verhalten etwas über meinen Gemütszustand ableiten könnte, war einfach unerträglich für mich.
Ich schnappte mir meine Sporttasche vom Schrank, schmiss wahllos ein paar Klamotten hinein und verlieà das Zimmer.
Der Hausmeister war nicht in seinem Büro. Auch im Speisesaal war niemand zu sehen. Die Büros daneben waren ebenfalls leer. Ich hatte keine Lust, länger nach irgendjemandem zu suchen, bei dem ich mich abmelden konnte. Ich rannte wieder in mein Zimmer hoch, griff mir von Karims Schreibtisch Stift und Zettel, kritzelte unter fiesen Schmerzen ein paar Zeilen, in denen ich mitteilte, dass ich doch übers Wochenende nach Hause fahren würde, rannte wieder in die Eingangshalle zurück und legte den Zettel gut sichtbar direkt auf den Empfangstresen.
Weg hier, dachte ich. Bloà weg hier, bevor mir irgendeiner über den Weg rennt und dumme Fragen stellt und es mit meiner Beherrschung endgültig vorbei ist.
Kapitel 11.
Es war kalt. Viel zu kalt für diese Jahreszeit. Lisa grub ihr Gesicht in das Halstuch, bis zur Nase.
âKommst du mit ins Einkaufszentrum?â Maike tanzte neben ihr auf der Stelle. âMeine FüÃe sind eisig kalt. Ich muss ins Warme.â
Lisa schüttelte wortlos den Kopf.
âMeine Güte, dich muss es aber echt erwischt haben. Der Typ hat dich wirklich voll im Griff.â Maike verdrehte die Augen.
Lisa ignorierte ihren spöttischen Unterton. Gleichgültig hob sie die Schultern. âUnd, was ist daran verkehrt?â Die Frage war ihr herausgerutscht. Sie hatte nicht vorgehabt, sie zu stellen. Sie kannte Maikes
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