Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hoffnung ist gruen

Die Hoffnung ist gruen

Titel: Die Hoffnung ist gruen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
Vom Netzwerk:
wieder landen.
    Inzwischen ärgerte ich mich maßlos über mich selbst. Wie konnte ich nur so blöd sein und mich selbst verletzen. Und dann auch noch der Obertratsche Karim direkt in die Arme laufen. Dämlicher ging es doch überhaupt nicht. So wie ich den kannte, wusste inzwischen ganz Wolfsburg von meinem Ausraster. Höchstwahrscheinlich hatte der sich schon eine Superstory zusammengesponnen.
Marius hat irgendeinen Typen so windelweich geschlagen, dass seine Hände geblutet haben
.
    Natürlich würde ich alles abstreiten, weil es schließlich nicht stimmte. Nur wie sollte ich meine Verletzungen erklären? Wohl kaum, indem ich die Wahrheit sagte. Wenn auch nur einer aus dem Trainerstab oder von den Sozialpädagogen erfuhr, was mit mir los war, dann war ich fällig. Da war ich mir absolut sicher.
    Natürlich hatte ich sämtliche Verwarnungen registriert, auch wenn ich im Gespräch mit dem Münkel etwas ganz anderes behauptet hatte. Doch so richtig waren mir all die Dinge, die nicht wirklich gut für mich im Fußballinternat liefen, erst während des Gespräches bewusst geworden. Das Ganze hatte mich dann so dermaßen geärgert und gleichzeitig in mir eine riesig große Flutwelle aus Hilflosigkeit ausgelöst, dass ich nicht anders konnte, als auf irgendwas einzuprügeln.
    Im Nachhinein konnte ich heilfroh sein, dass Karim mir nicht früher über den Weg gelaufen war. Sonst wäre es sicherlich nicht die Wand gewesen, an der ich mich ausgelassen hätte. – Und ich hätte anschließend endgültig meine Sachen packen können.
    Als ich schließlich vom Bahnhof quer durch die Stadt Richtung Kartloher Berg lief, spürte ich mit jedem Schritt, dass es mir unmöglich war, dorthin zurückzukehren.
    Die Erinnerung tat brutal weh. Je näher ich dem Stadtpark kam und der dahinterliegenden Siedlung, desto heftiger zog sich der Eisenring um mein Herz zusammen.
    Als ich die ersten Bäume des Parks erblickte, blieb ich abrupt stehen und rannte wie von einer Horde wilder Zombies gejagt in die entgegengesetzte Richtung davon.
    Ziellos, bildete ich mir ein. Doch als ich keuchend vor dem Reihenhaus von Nele und Haro zum Stehen kam, wurde mir plötzlich bewusst, dass dieser Ort von Anfang an das Ziel meiner Reise gewesen war.
    Ich stand eine Weile unentschlossen auf dem Gehweg vor dem Haus herum. Haros Auto parkte in der Einfahrt. Er war also zu Hause, stellte ich fest und komischerweise beunruhigte diese Tatsache mich ein wenig. Warum nur? War ich nicht deshalb hierher gekommen, um meinen väterlichen Freund zu besuchen?
Väterlichen Freund
, wie sich das anhörte. Haro war mir seit meinem achten Lebensjahr mehr Vater gewesen als der, den ich meinen echten Vater nennen musste.
    Der hatte sich doch seit dem Tod unserer Mutter einen Dreck um Lisa und mich gekümmert. Nur gesoffen, gesoffen und noch mehr gesoffen. Aber die absolute Krönung hatte er sich geleistet, als ich seine Einwilligungserklärung für das Fußballinternat des VfL Wolfsburg benötigte. Vor dem Gesetz war der Typ mein Vater. Ob mir das nun schmeckte oder nicht. Also musste er seine Einwilligung dazu geben. Da führte kein Weg dran vorbei. Doch was hatte das versoffene Dreckstück gemacht? Er hatte sich geweigert. Ich konnte es echt nicht fassen. Der wollte erst wissen, was für Kohle dabei für
ihn
herausspringen würde. Wenn sein Sohn bei einem Bundesliga-Verein spielte, dann musste dabei doch schließlich Kohle herausspringen. Kohle, damit er noch mehr saufen konnte.
    Am liebsten hätte ich ihn gepackt und ohne Unterbrechung seinen Kopf auf die Tischplatte gedonnert.
    Amelie war tot. Ganz genau vier Wochen waren an jenem Tag seit ihrem Tod vergangen. Vier Wochen, in denen ich dachte, nur noch aus einer Hülle zu bestehen. Abgetaucht in die Tiefen meiner Schattenwelt. Von innen total ausgebrannt, unfähig irgendwelche Gefühle zu empfinden. Weg, alles weg. Begraben, tief in der Erde eingebuddelt – wie Amelie.
    Haro hatte mich da rausgeholt. Er hatte dafür gesorgt, dass ich vier Tage nach Amelies Tod wieder zur Schule ging, regelmäßig etwas aß und vor allen Dingen wieder Fußball spielte. Keine drei Wochen nach dem geplatzten Sichtungsspiel hatte ich einen neuen Termin, eine zweite Chance bekommen. Dank Haro.
    Graupelschauer und Eisregen entsprachen meiner Stimmung, als ich den Platz des NLZ betrat, auf dem ich mit dem Team der

Weitere Kostenlose Bücher