Die Hoffnung ist gruen
sich letztendlich entschieden, weil das Nachwuchs-Leistungszentrum der Niedersachsen zu den modernsten Deutschlands zählte.
Seine Eltern hatte am Ende der ganzheitliche Ansatz der Wolfsburger überzeugt. Hier legte man neben den fuÃballerischen Leistungen groÃen Wert auf eine gute Schulausbildung und darauf, dass den jungen Spielern Werte und Normen sowie ein gutes soziales Verhalten und Miteinander vermittelt wurden. Karim war zwar fest davon überzeugt, dass ihm der Sprung ins Profilager locker gelingen würde, aber eine gute Schulausbildung konnte dennoch nicht schaden. Darin waren sich er und seine Eltern ausnahmsweise mal einig.
Als er Marius das erste Mal sah, war er sogar der Meinung gewesen, dass es mit ihnen beiden richtig gut hinhauen würde. Sie waren in etwa gleichaltrig, Marius sah ziemlich gut aus und wirkte ausgesprochen cool â ganz genau wie die Sorte Leute, mit denen sich Karim gerne umgab.
Er hätte Marius wirklich mögen können. Er hätte ihn mit sich schleppen können, um ihm das gesamte Sportinternat zu zeigen. Er hätte an den Abenden mit ihm in der
Wolfshöhle
abhängen können. Er hätte ihm von seinen Erfolgen bei Frauen erzählen können. Er hätte ihm sagen können, dass sie sich wahrscheinlich ziemlich gut verstehen würden und viel Spaà miteinander in ihrem Zwei-Mann-Zimmer haben würden. Er hätte sich im Speisesaal stets neben ihn setzen können. Er hätte im Vereinsbus, bei Auswärtsspielen, den Platz neben sich für ihn freihalten können. Das alles hätte er machen können. Wenn dieser Typ nicht von der ersten Sekunde an, in der er das Maul aufgemacht hatte, so einen überheblichen Scheià von sich gegeben hätte.
âHi, ich bin Karim. Wir werden uns das Zimmer teilen. Ich bin seit knapp vier Wochen hier. Hätte aber auch nach England gehen könnenâ, hatte Karim ihn freundlich begrüÃt, als Marius mit Sack und Pack in der Zimmertür gestanden hatte.
Marius hatte ihn einen Moment schweigend von oben nach unten und wieder zurück gemustert. Dann hatte er beide Augenbrauen bis fast zum Stirnansatz hochgezogen, verächtlich die Lippen geschürzt und erwidert: âSchade, dass du das nicht gemacht hast. Die Engländer fressen Lamm mit PfefferminzsoÃe. Da hättest du gut hingepasst.â Von da ab waren die Fronten zwischen ihnen geklärt. Ein für alle Mal!
Karim knallte die Tür hinter sich zu und murmelte: âHoffentlich verblutet der Arsch.â
Als ich ins Zimmer zurückkam, war Karin zu meiner Erleichterung verschwunden.
Meine Hände brannten wie Feuer. Um die eine Hand, an der es aus einer breiten Platzwunde blutete, hatte ich mir notdürftig eine halbe Rolle Klopapier gewickelt. Die andere schmerzte ebenso, obwohl ich mir hier keine Platzwunde zugezogen hatte.
Nachdem ich wie in Trance aus Münkels Büro geschlichen war, hatte ich zunächst den Weg zum Fitnessraum eingeschlagen. Doch als ich vor der Tür stand, war mir plötzlich die Lust aufs Training vergangen.
Münkels Worte waren in meinem Kopf herumgeschwirrt wie die Bienen um den Honig. Kein andrer Gedanke hatte in meinem Hirn mehr Platz.
Was sollte der ScheiÃ? Warum laberte der mich gerade jetzt mit so einem beschissenen Zeug zu? Wusste der eigentlich, was er mir damit antat?
Nachdenken sollte ich. Ãber mich. Aber genau das wollte ich nicht. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was geschehen war und was hinter mir lag. All das wollte ich auslöschen und ganz bestimmt nicht daran erinnert werden. Ich hatte panische Angst, dass die dunkle Seite in mir wieder die Oberhand gewinnen würde. Diese alles lähmende Traurigkeit mich überwältigen und ich es diesmal nicht schaffen würde, da wieder rauszukommen.
Ich wollte FuÃball spielen. Der Beste wollte ich werden. Ein ProfifuÃballer. Dann würde niemand mehr wagen auf mich hinabzuschauen. Leute wie Amelies Eltern würden ganz bestimmt nicht mehr sagen, dass so einer wie ich nicht gut genug für ihre Tochter sei.
Zum FuÃballspielen war ich hierhergekommen. FuÃball war meine Zukunft, meine Hoffnung, mein Lebenselixier. Was war also falsch daran, dass ich genau das tat? Musste ich deshalb unbedingt
Everybodyâs Darling
werden? Das war doch ausgemachter Bullshit.
Der FuÃball hatte mich schon einmal gerettet. Damals, als meine Mutter gestorben war und ich das erste Mal dieser dunklen
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