Die Hofnärrin
gerichtet, damit keiner der beiden meinen
Schmerz sehen sollte. »Er bereitet sich auf den Tod vor.«
»Das musste ja so kommen«, meinte mein Vater. »Hat die Königin
auch den Hinrichtungsbefehl für seinen Bruder und für Lady Jane
unterzeichnet?«
»Noch nicht«, antwortete ich. »Aber gewiss in den nächsten
Tagen.«
Er nickte. »Dies sind harte Zeiten. Wer hätte gedacht, dass
die Königin die Stadt zu den Waffen rufen und die Rebellen besiegen
könnte?«
Ich schüttelte nur den Kopf.
»Sie kann dieses Land zusammenhalten«, sagte mein Vater.
»Solange sie die Herzen der Menschen beherrscht, kann sie Königin sein.
Sie kann sogar eine große Königin werden.«
»Habt Ihr etwas von John Dee gehört?«, wollte ich wissen.
»Er reist«, gab mein Vater zur Antwort. »Kauft Manuskripte
tonnenweise. Schickt sie mir zur Aufbewahrung. Er tut gut daran, London
fernzubleiben, denn auch sein Name ist im Zusammenhang mit dem Aufstand
gefallen. Die meisten der Rebellen sind vordem seine Freunde gewesen.«
»Alle Rebellen waren Männer des Hofes«, widersprach ich. »Sie
kannten einander gut. Königin Maria selbst war mit Edward Courtenay
befreundet. Es hat sogar einmal geheißen, sie wolle ihn heiraten.«
»Wie ich hörte, hat er die anderen verraten?«, fragte Daniel.
Ich nickte.
»Weder ein besonders guter Untertan noch ein besonders treuer
Freund«, folgerte Daniel.
»Ein Mann unter dem Einfluss von Versuchungen, die wir uns
nicht vorstellen können«, gab ich weise zum Besten. Doch dann rief ich
mir das Bild Edward Courtenays vor Augen, eines Jugendlichen mit
schwachem Mund und einer Neigung zum Rotwerden. Ein Junge, der so tat,
als wäre er ein Mann. Kein liebenswerter Junge, sondern ein Prahlhans,
der hoffte, die Leiter emporzuklimmen, indem er Königin Maria oder Lady
Elisabeth den Hof machte. Ein Höfling, der nur auf seinen Vorteil
bedacht war.
»Entschuldige«, sagte ich zu meinem Verlobten. »Du hast recht.
Er ist weder ein guter Untertan noch ein treuer Freund, er ist nicht
mal ein anständiger Junge.«
Daniels Lächeln erhellte sein ganzes Gesicht, und seine Wärme
strömte auf mich über. Ich nahm ein Stück Brot und fühlte, wie ich
ruhiger wurde. »Wie geht es deiner Mutter?«, erkundigte ich mich
höflich.
»Dieses kalte, nasse Wetter hat sie krank gemacht, doch nun
geht es ihr wieder besser.«
»Und deinen Schwestern?«
»Sie sind wohlauf. Wenn du aus Ashridge zurückkehrst, würde
ich dich gerne in meinem Haus willkommen heißen, damit du sie
kennenlernst.«
Ich nickte. Ich konnte mir nicht vorstellen, Daniels
Schwestern kennenzulernen.
»Bald wird eine Zeit kommen, in der wir alle zusammenleben«,
sagte er. »Es wäre besser, ihr lerntet euch jetzt kennen, damit ihr
euch aneinander gewöhnen könnt.«
Ich schwieg. Bei unserer letzten Begegnung waren wir im Zorn
voneinander geschieden, doch Daniel war offensichtlich gewillt, diesen
Streit wie die anderen davor zu vergessen. Unser Verlöbnis war demnach
intakt. Ich lächelte ihn an. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen,
in seinem Hause zu leben, wo seine Mutter die Dinge ordnete, wie sie es
immer schon getan hatte, und wo die Schwestern um ihn, das bevorzugte
Kind, den einzigen Sohn, herumflatterten.
»Glaubst du, sie würden meine Hosen schön finden?«, fragte ich
herausfordernd.
Er wurde rot. »Nein, vermutlich nicht«, sagte er kurz. Er
stützte den Ellenbogen auf die Theke und nippte an seinem Wein. Dann
schaute er meinen Vater an. »Ich werde die Seite fertig setzen«, sagte
er, rutschte von seinem Hocker und griff nach der Schürze.
»Soll ich dir den Sillabub später bringen?«, fragte ich.
Er maß mich mit dunklem, starrem Blick. »Nein. Ich mag keine
Dinge, die gleichzeitig süß und sauer sind.«
Bei den Knechten, die vor dem Stall die
Pferde für die Reise sattelten, stand Will Somers und riss Witze.
»Will, kommst du etwa mit?«, fragte ich hoffnungsvoll.
Will schüttelte den Kopf. »Aber nein! Viel zu kalt für mich!
Und für dich scheint es mir auch nicht das Rechte zu sein, Hannah
Green.«
Ich schnitt eine Grimasse. »Die Königin hat mich darum
gebeten. Sie bat mich, Elisabeth ins Herz zu schauen.«
»In ihr Herz?«, wiederholte er mit komischer Betonung. »Zuerst
musst du es einmal finden!«
»Was könnte ich sonst tun?«, wollte ich wissen.
»Nichts außer gehorchen.«
»Und was soll ich jetzt tun?«
»Das Gleiche.«
Ich trat näher zu ihm. »Will, glaubst du wirklich, dass sie
geplant hat, die
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