Die Hofnärrin
nüchtern fest, »oder wenn sie ertappt worden ist. Das erste Mal
war sie in dieser Art krank, als Thomas Seymour hingerichtet wurde.
Nun, glaube ich, fürchtet sie wieder einmal, einer Verschwörung
angeklagt zu werden. Ich werde meine Ärzte zu ihr schicken, und du
sollst sie begleiten.«
»Selbstverständlich.« Was hätte ich sonst sagen sollen?
»Leiste ihr Gesellschaft, lies ihr vor, sei ihr eine
Gefährtin, so wie du mir Gefährtin gewesen bist. Wenn sie sich kräftig
genug für die Reise fühlt, begleite sie und sorge dafür, dass sie die
Fahrt guten Mutes übersteht. Wenn sie im Sterben liegt, tröste sie und
schicke nach einem Priester, der versuchen soll, alles für die Erlösung
ihrer Seele zu tun. Es ist nie zu spät, Gottes Vergebung zu erflehen.
Bete mit ihr.«
»Und – was noch?« Meine Stimme war ganz leise
geworden. Die Königin musste sich nach vorn neigen, um mich zu
verstehen.
»Horche sie aus«, befahl sie. »Verfolge alles, was sie tut,
beobachte jeden, der sie besucht, sowie jeden Einzelnen, der zu ihrem
Haushalt gehört. Merke dir jeden Namen, der erwähnt wird, jeden Freund,
der ihr lieb und teuer ist. Schreibe mir jeden Tag und berichte, was du
herausgefunden hast. Ich muss erfahren, ob sie an einer Verschwörung
gegen mich beteiligt ist. Ich muss Beweise haben.«
Ich umklammerte meine Knie so fest mit den Händen, dass Beine
und Hände zu zittern anfingen. »Ich kann keine Spionin sein«, stieß ich
tonlos hervor. »Ich kann eine junge Frau nicht dem Tode ausliefern.«
»Du hast nun keinen anderen Herrn mehr«, erinnerte sie mich
sanft. »Northumberland ist tot, und Robert Dudley sitzt im Tower. Was
kannst du anderes tun, als mir gehorchen?«
»Ich bin Hofnarr, kein Spion«, gab ich zurück. »Ich bin Eure
Hofnärrin, nicht Eure Spionin.«
»Du bist meine Hofnärrin und sollst mir die Gabe deines
Ratschlages gewähren«, sagte sie. »Und ich befehle dir, gehe zu
Elisabeth, diene ihr, so wie du mir dienst, und berichte alles, was du
hörst und siehst, doch wichtiger noch: Warte, bis deine Gabe aus dir
spricht, um die Wahrheit zu erkennen. Ich glaube, du wirst ihre Lügen
durchschauen und mir sagen können, was sie im innersten Herzen bewegt.«
»Aber wenn sie doch krank ist und bald sterben wird …«
Einen Augenblick lang milderten sich die scharfen Falten um
Mund und Augen der Königin. »Wenn sie stirbt, habe ich meine einzige
Schwester verloren«, bekannte sie düster. »Dann habe ich ihr die
Inquisition auf den Hals gehetzt, statt selbst zu ihr zu gehen und sie
in meinen Armen zu halten. Ich vergesse nicht, dass sie noch ein Baby
war, als ich sie lieb gewonnen habe, ich vergesse nicht, dass sie an
meiner Hand laufen gelernt hat.« Sie hielt einen Moment inne und
lächelte bei der Erinnerung an die weichen Babyhände, die Halt suchend
nach den ihren gegriffen hatten – doch dann schüttelte sie den
Kopf, als müsse sie die Liebe abschütteln, die sie einst für den
kleinen Rotschopf empfunden hatte.
»Es kommt allzu gelegen«, wiederholte sie. »Tom Wyatt ist
verhaftet, sein Heer ist geschlagen, und Elisabeth liegt krank
darnieder, zu krank, um zu schreiben, zu krank, um mir Antwort zu
geben, zu krank, um nach London zu kommen. Sie ist so krank wie damals,
als Jane auf den Thron gesetzt wurde, als ich meine Schwester an meiner
Seite haben wollte. Im Angesicht von Gefahr wird sie stets krank. Sie
hat Intrigen gegen mich gesponnen und einen Schicksalsschlag erlitten,
doch ihre Absichten haben sich nicht gewandelt. Ich muss wissen, ob sie
und ich als Königin und Thronerbin zusammen leben können, als
Schwestern, oder ob es zum Schlimmsten kommt: Ob sie zu meiner Feindin
geworden ist und für ihren Ehrgeiz selbst meinen Tod in Kauf nimmt.«
Sie richtete ihren dunklen, ehrlichen Blick wieder auf mich. »Du kannst
es mir ruhig sagen. Du darfst mich ruhig warnen, falls sie mich hasst
und meinen Tod will. Begleite sie nach London oder schreibe mir, ob sie
wirklich zu krank ist. Sei an ihrer Bettstatt mein Auge und mein Ohr,
und möge Gott dich in allem leiten.«
Ich unterwarf mich ihrer Entschlossenheit. »Wann soll ich
abreisen?«
»Morgen früh bei Sonnenaufgang«, bestimmte die Königin. »Wenn
du magst, kannst du heute Abend noch deinen Vater besuchen, du brauchst
nicht zum Souper zu erscheinen.«
Ich stand auf und verneigte mich vor ihr. Sie streckte mir
ihre Hand hin. »Hannah.«
»Ja, Euer Hoheit?«
»Ich wünschte, du könntest in ihr Herz sehen und darin
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