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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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den
Aufruhr, den ein solcher Schritt im Lande auslösen würde. Da Elisabeths
Rebellion bereits von so vielen Mächtigen unterstützt worden war,
konnte Maria sich ausrechnen, dass sich noch andere erheben würden,
wenn der Prinzessin die Hinrichtung drohte. Dreißig Männer wurden nach
Kent gebracht, um in ihren eigenen Städten und Dörfern gehängt zu
werden, doch es konnte keinen Zweifel geben, dass ein neuerlicher
Aufstand drohte, falls die protestantische Prinzessin aufs Schafott
geschickt werden sollte.
    Und schlimmer noch: Königin Maria selbst war nicht fähig, die
nötigen Entscheidungen zu treffen. Sie hatte gehofft, Elisabeth würde
reuig vor sie treten, und sie hätten sich versöhnen können. Sie hatte
gehofft, Elisabeth würde einsehen, dass Maria die Stärkere war, dass
sie die Hauptstadt beherrschte, während Elisabeth nur die Hälfte der
Edelleute von Kent zur Verfügung standen. Doch Elisabeth verweigerte
das Geständnis, sie bat nicht um Gnade. Stolz und unnachgiebig fuhr sie
fort zu versichern, dass sie absolut unschuldig sei, und Maria konnte
es nicht ertragen zu sehen, wie ihre Schwester log. Stunde um Stunde
kniete die Königin auf ihrem prie-Dieu , die
Augen auf das Kreuz des Erlösers geheftet, und betete um göttlichen
Rat, was sie mit der treulosen Schwester tun solle.
    »Sie hätte Euch im Handumdrehen den Kopf abschlagen lassen«,
pflegte Jane Dormer zu sagen, wenn die Königin sich vom Betstuhl erhob
und zum Kamin ging, wo sie ihren Kopf an die steinerne Kaminbrüstung
lehnte und in die Flammen starrte. »Wenn sie an Eurer Stelle wäre,
hätte sie Euch im Moment ihrer Krönung den Kopf abschlagen lassen. Sie
hätte sich nicht darum geschert, ob Ihr Euch der Rebellion schuldig
gemacht habt. Sie hätte Euch ermorden lassen, lediglich um die nächste
Thronanwärterin zu beseitigen.«
    »Sie ist doch meine Schwester«, pflegte Maria auf die
Vorhaltungen ihrer Vertrauten zu antworten. »Ich habe ihr das Laufen
beigebracht. An meiner Hand hat sie ihre ersten tapsenden Schritte
getan. Und nun soll ich sie in die Hölle schicken?«
    Jane Dormer zuckte nur die Achseln zum Zeichen ihrer
Missbilligung und nahm ihre Stickerei wieder auf.
    »Ich werde um Gottes Ratschlag beten«, murmelte die Königin.
»Ich muss einen Weg finden, mit Elisabeth zu leben.«
    Im März wurde es wärmer, und der Himmel
wurde früher von einem blassen Licht erhellt. Der ganze Hof stand
sozusagen auf den Zehenspitzen und wartete begierig darauf, was mit der
Prinzessin geschehen würde. Sie wurde fast täglich von Marias Räten
verhört, doch die Königin lehnte es ab, ihre Schwester zu sehen. »Ich
kann es nicht«, lautete ihre knappe Erklärung. Ich wusste, sie wollte
Mut sammeln, um Elisabeth vor Gericht zu laden – und von da
war es nur noch ein kurzer Weg zum Schafott.
    Sie hatten genug Beweise, um sie dreimal hängen zu lassen,
doch immer noch zauderte die Königin. Kurz vor Ostern erhielt ich
glücklicherweise ein Schreiben meines Vaters, in dem er anfragte, ob
ich mich für eine Woche vom Dienst bei Hofe freimachen und zu seinem
Geschäft kommen könne. Er fühle sich nicht wohl und brauche jemanden,
der jeden Tag die Läden öffnete und schloss. Ich solle mir aber keine
Sorgen machen, es sei nur ein vorübergehendes Fieber, und schließlich
habe er auch Hilfe durch Daniel, der jeden Tag komme.
    Es missfiel mir ein wenig, dass Daniel ständiger Gast in
meines Vaters Haus war, doch ich legte der Königin den Brief vor, und
als sie mir die Erlaubnis gab, packte ich ein zweites Paar Hosen und
ein neues sauberes Leinenhemd ein und begab mich zu den Gemächern der
Prinzessin.
    Dort kniete ich vor ihr nieder und sagte: »Ich habe die
Erlaubnis heimzugehen, zu meinem Vater.«
    Über unseren Köpfen schepperte es vernehmlich. Die Küche von
Lady Margaret Douglas, der königlichen Cousine, war in die Räume über
Elisabeths Schlafgemach verlegt worden, und man hatte sie nicht
gebeten, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, dem Lärm nach zu urteilen,
hatte man den Köchen offenbar zusätzliche Pfannen zum Scheppern
gegeben. Lady Margaret, eine grämliche Tudor-Verwandte, war die nächste
Thronfolgerin nach Elisabeth und hatte folglich Grund, die Prinzessin
an den Rand der Erschöpfung und des Wahnsinns zu treiben.
    Elisabeth zuckte bei dem Geschepper zusammen. »Du gehst? Wann
kehrst du zurück?«, wollte sie wissen.
    »In einer Woche, Euer Gnaden.«
    Sie nickte, und zu meinem Erstaunen zuckte ihr Mund, als werde
sie gleich

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