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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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einem ganz gewöhnlichen Verräter,
unmöglich, dass diese dunklen Augen, dieses wunderbare Lächeln, dieser
Charme ihn nicht vor dem Richtblock retten konnten. Wer konnte es über
sich bringen, dem schönen Robin etwas anzutun? Wer konnte den
Hinrichtungsbefehl unterzeichnen, welcher Henker konnte sich dazu
überwinden? Außerdem hatte ich eine ganz andere Zukunft für ihn
vorausgesehen: Lord Robert würde von einer Königin geliebt werden, er
würde friedlich in seinem Bett sterben. Dieses war mir gezeigt, die
Worte waren mir eingegeben worden. Wenn mein geliebter Lord Robert tot
war, hatte ich nicht nur die große Liebe meines Lebens verloren,
sondern auch auf grausamste Weise erfahren müssen, dass meine Gabe
nichts war als Schimäre und Illusion. Dann war mit einem Hieb der
Henkersaxt alles nichtig geworden.
    Ich stand auf und taumelte gegen die Mauer.
    »Bist du krank, Hofnarr?«, erkundigte sich einer von Lord
Howards Männern in kühlem Ton. Seine Lordschaft gönnte mir nur einen
gleichgültigen Blick.
    Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. »Darf ich Lady
Elisabeth darüber berichten?«, bat ich. »Sie will es gewiss hören
wollen.«
    »Du kannst es ihr mitteilen«, sagte er. »Und ich würde sogar
meinen, sie muss es wissen. Jeder wird es in den nächsten Tagen
erfahren. Die Angeklagten sind vor einer großen Menschenmenge
hingerichtet worden. Die Nachricht wird sich rasch verbreiten.«
    »Und die Anklage?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits
kannte.
    »Verrat«, sagte er barsch. »Kannst es ihr ausrichten. Verrat.
Und widerrechtliche Inbesitznahme des Thrones.«
    Ohne dass ein weiteres Wort fiel, wandten sich alle der Sänfte
zu, aus der Lady Elisabeth soeben mühsam ausstieg. Mrs. Ashley hielt
ihr die Hand, mit der anderen stützte sie sich an der Sänfte.
    »So sterben Verräter«, bemerkte ihr Cousin und fixierte
unbarmherzig die bleiche Prinzessin, seine eigene Verwandte, die einst
die Freundin all dieser Männer gewesen war, die ihr nun mit dem Galgen
drohten. »So sterben alle Verräter.«
    »Amen«, ertönte eine Stimme aus der Menge.
    Ich wartete, bis die Prinzessin gegessen
hatte, dann eilte ich an ihre Seite. Sie tauchte gerade ihre Finger in
eine Schüssel, die ihr vom Gastgeber hingehalten wurde. Dann hielt sie
ihre Hände dem Pagen hin, damit er sie abtrocknete.
    »Was steht in dem Brief?«, fragte sie, ohne mich anzuschauen.
    »Es wird heute noch bekannt werden«, sagte ich. »Es schmerzt
mich, Euch das sagen zu müssen, Lady Elisabeth. Eure Cousine Lady Jane
Grey ist hingerichtet worden und ebenso ihr Ehemann … und Lord
Robert Dudley.«
    Ihre Hände, die sie dem Pagen hinstreckte, zitterten nicht,
doch ich sah, wie ein Schatten über ihre Augen fiel. »Dann hat sie es
also getan«, bemerkte sie ruhig. »Die Königin hat den Mut aufgebracht,
ihre eigene Verwandte auf den Richtblock zu schicken, ihre
Cousine – eine junge Frau, die sie von Kind an kannte.« Sie
sah mich an, ihre Hände so ruhig wie die des Pagen, der ihre Finger mit
einem Tuch abtupfte, das ihr Monogramm trug. »Die Königin hat die Macht
der Richtaxt entdeckt. Keiner wird mehr ruhig schlafen können. Ich
danke Gott, dass ich keine Fehler begangen habe.«
    Ich nickte, hörte jedoch kaum zu. Ich dachte an Lord Robert,
stellte mir vor, wie er mit hoch erhobenem Kopf in den Tod gegangen war.
    Elisabeth zog ihre Hände zurück und erhob sich vom Tisch. »Ich
bin sehr müde«, sagte sie zu ihrem Cousin. »Zu müde, um heute noch
weiterzureisen. Ich muss ruhen.«
    »Lady Elisabeth, wir müssen weiter«, mahnte er.
    Entschlossen schüttelte sie den Kopf. »Ich kann nicht«,
weigerte sie sich schlicht. »Ich werde jetzt ruhen. Morgen in aller
Frühe können wir aufbrechen.«
    »Wenn es wirklich früh ist«, lenkte er ein. »Im Morgengrauen,
Euer Gnaden.«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, das nicht bis zu den Augen
reichte. »Natürlich.«
    Sosehr sich Elisabeth bemühte, die Reise zu
verzögern, einmal nahm sie doch ein Ende, und zehn Tage nach unserem
Aufbruch langten wir spät am Abend im Hause eines Gentleman in Highgate
an.
    Ich schlief bei Elisabeths Damen, die sich bei Anbruch der
Dämmerung erhoben, um den Einzug ihrer Herrin in die Hauptstadt
vorzubereiten. Beim Anblick ihrer weißen Unterröcke und des Kleides in
jungfräulichem Weiß musste ich an den Tag denken, als sie ihre
Schwester in London willkommen geheißen hatte, ganz in die Tudor-Farben
Weiß und Grün gekleidet. Nun erstrahlte die

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