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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ab.
    »Wir zahlen die Miete für ein Jahr im Voraus«, entschied
Daniel. »Dann holen wir den Rest der Sachen.«
    »Ihr wollt eine Druckerpresse durch England, Frankreich und
Italien transportieren?«, fragte ich giftig.
    »Wenn es sein muss, ja«, erwiderte er.
    Mein Vater stieg nun auch hinten auf den Wagen auf und
streckte seine Hand aus, um mir hochzuhelfen. Doch ich zögerte. Die
drei weißen Gesichter von Daniels Schwestern starrten mich voller
Feindseligkeit an. »Kommt sie nun mit oder nicht?«, fragte eine.
    »Du kannst mir bei den Pferden zur Hand gehen«, sagte Daniel
rasch. Erleichtert entfernte ich mich von der Wagenklappe und trat
neben den Kopf des nächsten Pferdes.
    Wir führten die ein wenig unsicheren Tiere über das
Kopfsteinpflaster der Gasse, bis wir das bessere Pflaster der Fleet
Street erreichten. Von dort hielten wir uns in Richtung Stadtmitte.
    »Wohin gehen wir?«, fragte ich.
    »Zu den Schiffsanlegern«, lautete Daniels Antwort. »Dort
wartet ein Schiff auf die Flut. Ich habe unsere Überfahrt nach
Frankreich bestellt.«
    »Ich habe selber Geld für die Überfahrt«, machte ich geltend.
    Er warf mir ein düsteres Lächeln zu. »Ich habe bereits für
dich bezahlt. Ich wusste, dass du mitkommen würdest.«
    Ich knirschte mit den Zähnen vor Wut über seine
Überheblichkeit und zerrte an den Zügeln des mächtigen Pferdes. »Nun
komm schon!«, fuhr ich das Tier an, als trüge es die Schuld. Als das
Pferd den ebenen Boden der Fleet Street unter seinen Hufen spürte,
schlug es eine schnellere Gangart an, und ich schwang mich auf den
Kutschbock unseres Gefährts. Ein paar Augenblicke lang folgte mir
Daniel.
    »Ich wollte dich nicht ärgern«, sagte er gekränkt. »Ich wollte
damit nur sagen, ich wusste, dass du das Richtige tun würdest. Du
könntest nie deinen Vater oder dein Volk verlassen, um für immer unter
Fremden zu leben.«
    In dem kalten Morgenlicht, im Nebel, der aus der Themse
aufstieg, konnte ich die Paläste ausmachen, die dem Fluss zugewandt
waren, die Lustgärten, die sich bis ans Ufer erstreckten. An diesen
Orten hatte ich als Hofnärrin im Gefolge der Königin glückliche Tage
verlebt. Wir fuhren in die innere Stadt ein, in die bereits belebten
Straßen. Aus den Bäckeröfen stieg Rauch auf, und aus der
St.-Paul's-Kathedrale drang Weihrauchduft. Dann schlugen wir den mir
vertrauten Weg zum Tower ein.
    Daniel wusste, dass meine Gedanken bei Robert Dudley weilten,
als der Schatten des Zwischenwalls auf unseren Karren fiel. Ich blickte
hoch, über den Wall hinweg auf den hohen weißen Turm, der sich wie eine
Faust gen Himmel reckte, wie ein Symbol dafür, dass, wer immer den
Tower beherrschte, die Stadt London beherrschte – und
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit hatten in dieser Herrschaft keinen
Platz.
    »Vielleicht windet er sich noch hinaus«, bemerkte Daniel.
    Ich wandte den Kopf ab. »Ich habe doch zugesagt, mitzukommen,
oder nicht?«, sagte ich etwas sprunghaft. »Könntest doch zufrieden
sein.«
    In einem der Fenster brannte das Licht einer kleinen Kerze.
Ich stellte mir Robert Dudleys Tisch am Fenster vor und ihn auf seinem
Stuhl dahinter. Ich stellte mir vor, wie er sich in den dunklen Stunden
der Nacht schlaflos hin und her wälzte, wie er sich auf den Tod
vorbereitete, wie er um die trauerte, die er aufs Schafott gebracht
hatte, und Angst um jene ausstand, die noch auf das Urteil warteten.
Ich fragte mich, ob er wohl meine Anwesenheit spüren konnte, ob er
fühlte, dass ich ihn verließ und mich dennoch danach sehnte, bei ihm zu
sein.
    »Ruhig«, mahnte Daniel leise, weil ich auf meinem Sitz hin und
her rutschte. »Du kannst es auch nicht ändern.«
    Ich fügte mich und starrte ausdruckslos auf die dicken Mauern
und die hässlichen, schweren Tore. Wir umrundeten das mächtige Bollwerk
in seiner ganzen Breite und kamen schließlich am Flussufer an.
    Eine von Daniels Schwestern steckte ihren Kopf aus dem Wagen.
»Sind wir bald da?«, fragte sie ängstlich.
    »Fast«, antwortete Daniel besänftigend. »Begrüße deine neue
Schwester, Hannah. Dies ist Mary.«
    »Hallo, Mary«, sagte ich.
    Sie nickte mir zu und starrte mich an, als entstammte ich dem
Monstrositätenkabinett auf dem Bartholomäus-Jahrmarkt. Sie musterte
meinen weiten Umhang und die gute Qualität meiner Kleidung, dann
wanderten ihre Augen zu meinen glänzend polierten Stiefeln, meinen
bestickten Strümpfen und meiner Hose. Dann wandte sie den Blick ab,
plumpste wieder auf die Ladefläche und begann mit ihren

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