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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ihm auf, als
wäre ich tatsächlich ein Mann und nicht nur ein Mädchen in Hosen.
»Wisse jedoch, dass ich dir nicht gehorche«, sagte ich unverblümt.
»Wisse, dass ich nicht so ein Mädchen bin wie deine Schwestern. Selbst,
wenn ich deine Frau wäre, würdest du merken, dass du mir nicht nach
deinem Gutdünken befehlen kannst. Und jetzt nimm deine Hand von meinem
Arm. Mich kannst du nicht einschüchtern. Ich bin eine Dienerin der
Königin, und es ist Verrat, wenn du mich festhältst. Lass mich los!«
    Mein Vater kletterte vom Wagen, und ihm nach stürzte Daniels
Schwester Mary, das Gesicht hochrot vor Aufregung.
    »Was ist hier los?«, fragte mein Vater.
    »Lady Elisabeth ist gerade in den Tower gebracht worden«,
erzählte ich. »Wir haben die königliche Barke zum Verrätertor
hineinfahren sehen. Ich bin sicher, dass sie an Bord war. Ich habe
versprochen, dass ich zu ihr zurückkehren würde, und dieses Versprechen
hätte ich fast gebrochen, weil ich mit Euch fliehen wollte. Doch nun
sitzt sie im Tower und soll hingerichtet werden. Ich kann sie nicht im
Stich lassen. Ich bin auf Ehre gebunden, zu ihr zu gehen, und das werde
ich auch tun.«
    Mein Vater wandte sich an Daniel, auf seine Entscheidung
wartend.
    »Es hat nichts mit Daniel zu tun«, beeilte ich mich zu sagen,
ohne meinem Zorn Ausdruck zu geben. »Ihr braucht ihn nicht fragend
anzuschauen. Es ist allein meine Entscheidung.«
    »Wir reisen nach Frankreich, wie wir es vorhatten«, sagte
Daniel entschlossen. »Doch wir werden in Calais auf dich warten. Wir
warten Elisabeths Hinrichtung ab, und danach wirst du zu uns stoßen.«
    Ich zauderte. Calais war eine englische Stadt, ein Teil des
englischen Siedlungsgebietes, das Wenige, das von dem großen englischen
Reich auf französischem Boden übrig geblieben war. »Fürchtet ihr nicht
die Inquisition in Calais?«, fragte ich. »Bevor sie nach England kommt,
wird sie dort angelangt sein.«
    »Wenn die Inquisition anrollt, können wir immer noch nach
Frankreich«, erwiderte Daniel. »Man wird uns rechtzeitig warnen.
Versprichst du, dass du kommst?«
    »Ja«, antwortete ich und spürte, wie Zorn und Angst verebbten.
»Ja, das kann ich versprechen. Ich komme, wenn es vorüber ist. Wenn
Elisabeth tot oder außer Gefahr ist, werde ich zu euch kommen.«
    »Ich komme dich holen, sobald ich von ihrem Tod höre«, sagte
Daniel. »Dann können wir auch die Druckerpresse und die restlichen
Manuskripte mitnehmen.«
    Mein Vater nahm meine Hände zwischen die seinen. »Wirst du
auch bestimmt kommen, querida ?«, fragte
er sanft. »Hältst du dein Wort?«
    »Ich liebe Euch, Vater«, flüsterte ich. »Natürlich komme ich
zu Euch. Doch ich liebe auch die Lady Elisabeth, und sie fürchtet sich,
und ich habe versprochen, bei ihr zu bleiben.«
    »Du liebst sie?«, fragte er ungläubig. »Eine protestantische
Prinzessin?«
    »Sie ist die tapferste und klügste Frau, die ich kenne, sie
ist wie eine blitzgescheite Löwin«, erwiderte ich. »Ich liebe die
Königin, keiner kann umhin, die Königin zu lieben, aber die Prinzessin
ist wie eine lodernde Flamme, und man möchte immer in ihrer Nähe sein.
Und nun, da sie Angst hat und den Tod vor Augen, muss ich bei ihr sein.«
    »Was tut sie denn nun?«, zischte eine von Daniels Schwestern,
die sich insgeheim an der Szene erfreute, aus dem Inneren des Wagens.
Mary ging zu ihr, und ich hörte, wie sie flüsternd über mich herzogen.
    »Gib mir mein Bündel und lass mich gehen«, sagte ich zu
Daniel. Dann schritt ich zur Rückseite des Wagens und wünschte den
Übrigen Lebewohl.
    Daniel ließ mein Bündel auf das Kopfsteinpflaster fallen. »Ich
komme dich holen«, erinnerte er mich.
    »Ja, das weiß ich.« Meine Stimme war so kalt wie seine.
    Mein Vater küsste mich auf die Stirn und legte mir die Hand
segnend auf den Kopf, dann drehte er sich schweigend um und kletterte
wieder auf den Wagen. Daniel wartete, bis er drinnen saß, dann streckte
er die Arme nach mir aus. Ich hätte mich abwenden können, doch ich ließ
es zu, dass er mich an sich zog und mich heftig auf den Mund
küsste – ein Kuss so voller wütender Begierde, dass ich
instinktiv zurückwich und mir erst, als er mich abrupt losließ, bewusst
wurde, dass ich diesen Kuss gewollt hatte – und mehr. Doch es
war zu spät, um etwas zu sagen, zu spät, irgendetwas zu tun. Daniel
klatschte mit den Zügeln, und der Wagen rollte an mir vorbei. Da stand
ich nun im kalten Londoner Morgen mit nichts als einem Bündel zu meinen
Füßen,

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