Die Hofnärrin
Befehlston, wie mir auffiel. »Und wenn du deine Meinung
änderst, kannst du immer noch mit uns kommen. Ich trage dir nichts
nach. Du kannst mitkommen – als seine Tochter.«
»Ich werde meine Meinung aber nicht ändern«, gab ich ihm zu
verstehen. »Und du brauchst mir nicht zu befehlen, meinem Vater zu
helfen. Ich bin ihm eine gehorsame Tochter und wäre dem richtigen Mann
gewiss eine gute Frau.«
»Und wer sollte dieser richtige Mann sein?«, fragte Daniel
verächtlich. »Ein verheirateter Mann, des Hochverrats überführt?«
»Nun, nun, ihr beiden«, versuchte mein Vater zu
beschwichtigen. »Ihr habt doch eingewilligt, euch zu trennen.«
»Es schmerzt mich, dass du so schlecht von mir denkst«, sagte
ich eisig. »Ich werde gut für meinen Vater sorgen und alles für seine
Abreise vorbereitet haben, sobald du den Wagen bringst.«
Daniel polterte die Stufen hinunter. Dann hörten wir die
Ladentür ins Schloss fallen, und er war fort.
An den nächsten beiden Tagen arbeiteten wir
schweigend. Ich half meinem Vater, seine Bücher zusammenzuschnüren, die
Manuskripte zu rollen und in Fässer zu stecken und diese im
Hinterzimmer hinter der Druckerpresse zu verstauen. Er würde nur die
wichtigsten Bücher mitnehmen können, der Rest musste warten.
»Ich wünschte, du würdest auch mitkommen«, sagte er ernst. »Du
bist zu jung, um allein gelassen zu werden.«
»Ich stehe unter dem Schutz der Königin«, erwiderte ich. »Und
bei Hofe sind Hunderte in meinem Alter.«
»Du bist eine der Auserwählten, die Zeugnis ablegen muss«,
schärfte er mir flüsternd ein. »Du solltest bei deinem Volke sein.«
»Auserwählt, um Zeugnis abzulegen?«, fragte ich bitter. »Eher
dazu auserwählt, niemals eine Heimat zu finden. Auserwählt, um stets
nur die wertvollsten Güter zu packen und den Rest seinem Schicksal zu
überlassen. Auserwählt, um dem Scheiterhaufen oder der Henkersschlinge
immer nur einen Schritt voraus zu sein.«
»Immer noch besser als einen Schritt hinterdrein«, sagte mein
Vater trocken.
Wir arbeiteten die Nacht durch, und da er sich weigerte zu
essen, wusste ich, dass er bereits um mich trauerte – um die
Tochter, die er verloren hatte. Im Morgengrauen hörte ich das Knarren
von Karrenrädern auf der Straße und schaute zum Treppenfenster hinaus:
Dort sah ich den dunklen Umriss des Wagens, von einem Paar stämmiger
Pferde gezogen, die Daniel am Zügel führte.
»Er ist da«, sagte ich leise zu meinem Vater und machte mich
daran, die erste schwere Kiste hinauszuschleppen. Der Karren hielt
neben mir, und Daniel schob mich sanft zur Seite. »Überlass das mir«,
sagte er. Er lud die Kisten hinten auf den Wagen, wo ich schemenhaft
vier Gesichter ausmachen konnte: seine Mutter und seine drei
Schwestern. »Hallo«, grüßte ich verlegen und ging zurück in den Laden.
Mir war so elend zumute, dass ich es kaum schaffte, die Kisten
aus dem Hinterzimmer unseres Geschäfts zum Wagen zu bringen und Daniel
zu übergeben. Mein Vater tat gar nichts, er stand schweigend da, die
Stirn an die Mauer gelegt.
»Die Druckerpresse«, sagte er leise.
»Ich kümmere mich darum, dass sie zerlegt, mit einem Tuch
bedeckt und sicher gelagert wird«, versprach ich. »Und um alles andere
auch. Und wenn Ihr zurückkommen wollt, wird alles bereit sein, und wir
können neu anfangen.«
»Wir werden nicht zurückkommen«, sagte Daniel. »Dieses Land
wird unter spanische Herrschaft geraten. Wo könnten wir hier noch
sicher sein? Wie, glaubst du, wird es dir ergehen? Glaubst du, die
Inquisition litte unter Gedächtnisschwund? Unsere Namen als Ketzer und
Flüchtlinge stehen doch auf ihren Listen! Sie werden in diesem Lande
die Macht haben, in jeder Stadt wird Gericht gehalten werden. Wie
kommst du darauf, dein Vater und du könntet ihnen entgehen?
Neuankömmlinge aus Spanien? Mit dem Namen Verde? Glaubst du wirklich,
man könnte dich für eine Engländerin halten, bloß weil du jetzt Hannah
Green heißt? Bei deinem Akzent und deinem Aussehen?«
Ich schlug die Hände vors Gesicht. Am liebsten hätte ich mir
die Ohren zugehalten.
»Tochter«, sagte mein Vater mahnend.
Es war unerträglich.
»Na schön!«, rief ich wütend und verzweifelt. »Es reicht! Ich
komme mit.«
Daniel triumphierte keineswegs, er lächelte nicht einmal. Mein
Vater murmelte »Gelobt sei Gott«, hob mühelos eine Kiste hoch, als sei
er ein zwanzigjähriger Jüngling, und lud sie auf den Karren. Binnen
Minuten war alles verladen, und ich schloss die Ladentür
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