Die Hofnärrin
an,
»gut zu wissen, dass du glaubst, ich würde nicht in meines Vaters
Fußstapfen dort draußen treten.« Er nickte zu dem Rasenstück unter
seinem Fenster. »Und allmählich könnte ich mich an das Gefängnisleben
gewöhnen. Ich habe meine Bücher um mich, ich bekomme Besuch, und ich
werde aufmerksam bedient. Überdies hatte ich Muße, meinen Vater und
meine Brüder zu betrauern.« Er streckte die Hand zum Kamin aus und
berührte das eingekerbte Wappen. »Ich bedaure ihren Verrat, aber ich
bete für ihren Seelenfrieden.«
In diesem Moment wurde an die Tür geklopft. »Ich kann noch
nicht gehen!«, rief ich, mich umwendend, aus, doch an der Tür stand
kein Wächter, sondern eine Frau. Eine hübsche Frau mit braunen Haaren,
weicher, schöner Haut und sanften braunen Augen. Sie war prächtig
gekleidet, trug ein reich besticktes Kleid und geschlitzte Ärmel mit
Samt- und Seidenfüllung. In der einen Hand hielt sie lässig ihren Hut
an den Bändern, in der anderen einen Korb mit frischem Salat. Sie
begutachtete die Szene – meine rot angelaufenen Wangen und die
Tränen in meinen Augen und meinen Gebieter Lord Robert, der lächelnd
auf seinem Stuhl saß. Dann ging sie auf ihn zu, und er erhob sich, um
sie zu begrüßen. Kühl küsste sie ihn auf beide Wangen, dann wandte sie
sich mir zu, eine Hand bei ihm eingehakt, als wollte sie sagen: »Und
wer bist du?«
»Und wer ist das?«, fragte sie. »Ach – ich weiß! Du
musst die Hofnärrin der Königin sein.«
Ich brauchte einen Moment, um zu antworten. Mein Titel hatte
mich nie gestört. Doch die Art, wie sie ihn aussprach, ließ mich
stutzig werden. Ich wartete darauf, dass Lord Robert sich einschaltete
und sagte, dass ich ein heiliger Narr sei, dass ich Engel auf der Fleet
Street sähe, dass ich Mr. DeesKristallseher
gewesen sei – doch er schwieg.
»Und Ihr müsst Lady Dudley sein«, sagte ich ungeniert, das
Vorrecht des Narren auf Unverschämtheit in Anspruch nehmend.
Die Dame nickte. »Du kannst nun gehen«, sagte sie und wandte
sich ihrem Ehemann zu.
Doch Lord Robert ging nicht darauf ein. »Ich habe noch etwas
mit Hannah Green zu besprechen.« Er hieß sie auf dem Stuhl am
Schreibtisch Platz nehmen und zog mich zu dem anderen Fenster, wo wir
unbelauscht miteinander reden konnten.
»Hannah, ich kann dich nicht wieder in meine Dienste nehmen,
und ich habe dich aus deinem Liebeseid entlassen – doch ich
wäre froh, wenn du stets meiner gedenken würdest«, sagte er gedämpft.
»Ich werde immer an Euch denken«, flüsterte ich.
»Und wenn du der Königin meinen Fall darlegen
würdest …«
»Das habe ich bereits getan, Mylord. Sie will nichts über die
Inhaftierten hören, doch ich versuche es wieder. Ich werde nicht
aufgeben.«
»Und sollten sich irgendwelche Veränderungen zwischen der
Prinzessin und der Königin einstellen, oder solltest du zufällig
unseren Freund John Dee treffen, dann wäre ich froh, wenn du mir
darüber berichten würdest.«
Ich lächelte, weil er meine Hand berührte; ich freute mich
über seine Worte, die mir seinen Lebenswillen, seine Teilnahme am Leben
zeigten.
»Ich schreibe Euch«, versprach ich. »Ich teile Euch alles mit,
was ich weiß. Ich kann aber meine Treue zur Königin nicht aufs Spiel
setzen …«
»Und die zu Elisabeth auch nicht?«, fragte er lächelnd.
»Sie ist eine wunderbare junge Frau«, sagte ich. »Es ist
unmöglich, in ihren Diensten zu stehen und sie nicht zu bewundern.«
Nun lachte er. »Kind, deine Sehnsucht zu lieben und geliebt zu
werden, ist so stark, dass du auf der Seite eines jeden stehst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Dafür kann mich keiner tadeln. Alle
Bediensteten der Königin lieben sie, und Elisabeth … ist eben
Elisabeth.«
»Ich kenne sie schon ihr Leben lang«, sinnierte er. »Ich habe
ihr das Springen beigebracht, auf ihrem ersten Pony. Sie war schon
damals ein beeindruckendes Kind, und später eine wahrhafte kleine
Königin.«
»Prinzessin«, mahnte ich.
»Prinzessin«, korrigierte er sich. »Überbringe ihr meine
besten Wünsche, versichere sie meiner Liebe und meiner Treue. Sag ihr,
wenn ich mit ihr hätte speisen können, hätte ich es getan.«
Ich nickte.
»Sie ist ganz die Tochter ihres Vaters«, sagte er liebevoll.
»Bei Gott, Henry Bedingfield tut mir jetzt schon leid. Wenn Elisabeth
sich erst einmal von ihrer Angst erholt hat, wird sie ihm einen tollen
Tanz aufführen. Er wird ihrer nicht Herr werden, selbst wenn der ganze
Kronrat hinter ihm steht. Sie wird ihn
Weitere Kostenlose Bücher