Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Thronerbin
willkommen geheißen wurde, und sie lachte und ließ sich wie eine
Königin bedienen. Am Morgen wachte sie früh auf und freute sich auf die
Weiterreise. Der Sonnenschein erschien ihr wie Wein, und ihre weiße
Haut strahlte im Licht des neuen Tages. Jeden Morgen ließ sie ihr Haar
mit hundert Strichen bürsten, dass es wie elektrisiert über ihre
Schultern floss, und trug ihren Hut mit dem grünen Tudor-Band keck auf
der Seite. Jeder Mann unter Waffen erhielt ein Dankeslächeln, und
jeder, der ihr alles Gute wünschte, wurde mit einem Winken belohnt.
Elisabeth auf dem Weg durch das frühsommerliche England war in ihrem
Element, auch wenn dieser Weg ins Gefängnis führte.
    Woodstock erwies sich als ein altes,
bröckelndes Schloss, das seit Jahren vernachlässigt worden war. In
aller Eile war das Torhaus für die Prinzessin hergerichtet worden,
allerdings zog es durch die Fenster und unter den kaputten Dielen
hindurch. Es war zwar besser als der Tower, doch Elisabeth war immer
noch eine Gefangene. Zuerst durfte sie sich nur in den vier Räumen des
Torhauses aufhalten, doch dann erreichte sie in ihrer typischen Manier,
dass sie auch die Gärten und schließlich den großen Obstgarten betreten
durfte.
    Zunächst musste sie um jedes Stück Papier und jeden Stift
betteln, doch im Laufe der Zeit belästigte sie Sir Henry derart mit
Forderungen, dass ihr größere Freiheiten gewährt wurden. Sie bestand
darauf, an die Königin zu schreiben, sie forderte das Recht, eine
Petition an den Kronrat zu richten. Und als es wärmer wurde, erstritt
sie das Recht, auch außerhalb des Grundstückes spazieren gehen zu
dürfen.
    Sie gewann zunehmend die Überzeugung, dass Sir Henry sie nicht
meucheln würde, und statt ihn zu fürchten, begann sie, ihn zu
verachten. Der arme Mann wurde, wie Lord Robert prophezeit hatte, grau
und verhärmt unter den hartnäckigen Forderungen seiner adeligen
Gefangenen, der Erbin der englischen Krone.
    Dann kam eines Tages im Frühsommer ein Bote
aus London geritten, der Elisabeth einige amtlich aussehende
Schriftrollen übergab und mir einen Brief. Er war adressiert an ›Hannah
Green, bei Lady Elisabeth im Tower von London‹, doch die Handschrift
war mir unbekannt.
    Liebe Hannah,
    hiermit teile ich Dir mit, dass
Dein Vater wohlbehalten in Calais angekommen ist. Wir haben ein Haus
und einen Laden angemietet, und er kauft und verkauft fleißig Bücher
und Manuskripte. Meine Mutter führt ihm den Haushalt, und meine
Schwestern verdienen ihren eigenen Lebensunterhalt, die erste bei einer
Putzmacherin, die zweite bei einem Handschuhmacher und die dritte als
Haushälterin. Ich arbeite für einen Chirurgen, es ist harte Arbeit,
aber er ist ein sehr fähiger Mann, und ich lerne viel von ihm.
    Ich bedauere, dass Du nicht mit
uns gekommen bist, und es tut mir leid, dass ich Dich nicht habe
überzeugen können. Du denkst sicher, dass ich brüsk und vielleicht zu
selbstherrlich bin. Doch Du musst bedenken, dass ich schon seit
geraumer Zeit das Familienoberhaupt und deshalb daran gewöhnt bin, dass
meine Schwestern und meine Mutter das tun, was ich ihnen auftrage. Du
hingegen bist die verwöhnte, einzige Tochter und hast stets Deinen
Willen bekommen. Und in den letzten Jahren hast Du Erfahrungen in der
großen Welt gemacht und stehst nun völlig allein da. Ich verstehe, dass
Du Dich meinen Befehlen nicht beugen willst, ich verstehe, dass Du
nicht einmal begreifst, wieso ich Befehlsgewalt haben sollte. Das ist
in der Tat nicht mädchenhaft – doch so bist Du in Deinem
innersten Wesen.
    Lass mich versuchen, offen mit Dir
zu sein. Ich kann nicht zulassen, dass ich in meinem eigenen Heim zum
Hanswurst werde. Ich kann Deinem Wunsch nicht willfahren und Dich als
Herrin unseres Heims einsetzen. Ich muss Herr und Meister von Tisch und
Bett sein und kann es mir nicht anders vorstellen – ich glaube
auch, dass ich es mir nicht anders vorstellen darf. Gott hat mir die
Herrschaft über Dein Geschlecht, über das Weib, anvertraut. Meine
Pflicht ist es, diese Herrschaft sanft und freundlich auszuüben und
sowohl Dich als auch mich vor Fehlern zu bewahren. Aber ich bin dazu
bestimmt, Dein Gebieter zu sein. Ich kann die Herrschaft über unsere
Familie nicht abgeben, denn Pflicht und Verantwortung liegen bei mir,
nicht bei Dir.
    Ich möchte versuchen, Dir ein
Angebot zu machen. Ich werde Dir ein guter Ehemann sein. Du kannst gern
meine Schwestern fragen – ich besitze keinen jähzornigen
Charakter, ich lasse mich

Weitere Kostenlose Bücher