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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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weiterlebt, ist ein Augenblick des Gewinns.
Wenn Ihr diesen Ort verlasst, habt Ihr wieder Zeit gewonnen.«
    »Wenn ich diesen Ort verlasse, werde ich auf heimliche und
beschämende Weise beseitigt werden«, entgegnete sie dumpf. Sie wandte
sich vom Fenster ab, schritt zu ihrem Bett und kniete davor nieder,
vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Hätten sie mich hier getötet, so
wäre ich den Menschen immerhin als Märtyrerin, als eine Heldin wie Jane
im Gedächtnis geblieben. Doch sie hatten ja nicht mal den Mut, mich
aufs Schafott zu schicken. Sie werden heimlich zu mir kommen, und ich
werde an einem verborgenen Ort den Tod erleiden.«
    Ich fühlte mich außerstande, den Tower zu
verlassen, ohne den Versuch zu machen, Lord Robert noch einmal zu
sehen. Er war im gleichen Teil des Towers untergebracht wie Elisabeth,
mit Blick auf den Turm, in einem Raum mit Kamin, in den sein Vater und
seine Brüder das Familienwappen gekerbt hatten. Ich fand, es sei ein
trauriges Zimmer, denn es gewährte den besten Blick auf den Rasenplatz,
wo sie hingerichtet worden waren und wo auch Lord Robert den Tod
erleiden würde.
    Die Posten vor seiner Tür waren verdoppelt worden. Bevor ich
zu ihm durfte, wurde ich durchsucht, und zum ersten Mal ließ man mich
nicht mit ihm allein. Meine Dienste für Elisabeth hatten meinem guten
Ruf als treue Anhängerin der Königin geschadet.
    Lord Robert saß hinter seinem Schreibtisch am Fenster, durch
das die warme Nachmittagssonne in die Zelle schien. Er las und hatte
die Seiten des kleinen Buches zum Licht gedreht. Als er die Tür hörte,
wandte er sich gespannt auf dem Stuhl um. Mit einem müden Lächeln hieß
er mich willkommen. Ich entdeckte Veränderungen an ihm. Er hatte
zugenommen, sein Gesicht war vor Erschöpfung und Langeweile
aufgedunsen, seine Haut weiß von der langen Haft – doch er
hatte noch immer die dunklen Augen, und auch der Mund zeigte noch die
Andeutung seines einst so charmanten Lächelns.
    »Es ist mein holder Knabe«, rief er. »Ich habe dich doch zu
deinem eigenen Besten fortgeschickt, Kind. Warum gehorchst du nicht und
kommst stattdessen wieder?«
    »Ich bin ja fortgegangen«, sagte ich beim Nähertreten, wobei
ich mir des Wächters in meinem Rücken peinlich bewusst war. »Aber die
Königin hat mir aufgetragen, Lady Elisabeth Gesellschaft zu leisten,
und so bin ich die ganze Zeit im Tower in Eurer Nähe gewesen, doch sie
haben mir nicht erlaubt, Euch zu besuchen.«
    Seine dunklen Augen blitzten vor Überraschung auf. »Und wie
geht es ihr?«, fragte er betont sachlich.
    »Sie ist krank gewesen und voller Angst«, erwiderte ich. »Ich
komme heute zu Euch, weil wir morgen den Tower verlassen. Sie soll
entlassen und bei Sir Henry Bedingfield unter Hausarrest gestellt
werden, und morgen brechen wir nach Woodstock auf.«
    Lord Robert erhob sich und schaute aus dem Fenster. Nur ich
konnte erraten, dass sein Herz vor Hoffnung kräftig schlug. »Sie lässt
sie frei«, sinnierte er. »Warum sollte Maria Elisabeth Barmherzigkeit
zeigen?«
    Ich zuckte die Achseln. Diese Maßnahme war zwar gegen die
Interessen der Königin, aber typisch für ihren Charakter. »Selbst jetzt
noch hegt sie zärtliche Gefühle für Lady Elisabeth«, versuchte ich zu
erklären. »Sie sieht sie immer noch als kleine Schwester. Nicht einmal
ihrem künftigen Ehemann zuliebe kann sie ihre Schwester aufs Schafott
schicken.«
    »Elisabeth hat immer Glück gehabt«, bemerkte er.
    »Und Ihr, Mylord?« Gegen meinen Willen bebte meine Stimme vor
Liebe zu ihm.
    Er drehte sich um und lächelte. »Ich bin beständiger«, sagte
er. »Ob ich lebe oder sterbe, liegt nicht in meiner Hand, das verstehe
ich nun. Aber ich habe mir doch Gedanken über meine Zukunft gemacht. Du
hast mir einmal vorhergesagt, ich würde friedlich im Bette sterben.
Glaubst du das immer noch?«
    Verstohlen schielte ich zu dem Wärter. »Ja, das glaube
ich – und mehr noch. Ich glaube, Ihr werdet der Geliebte einer
Königin sein.«
    Er versuchte zu lachen, doch in dem engen Kerker war kein Raum
für Freude. »Glaubst du, mein holder Knabe?«
    Ich nickte. »Und Ihr werdet einen Prinzen hervorbringen, der
die Geschichte der Welt verändern wird.«
    Er runzelte die Stirn. »Bist du sicher? Wie ist das gemeint?«
    Der Wächter räusperte sich. »Verzeihung«, warf er verlegen
ein. »Keine Worte in Geheimsprache.«
    Lord Robert schüttelte seinen Kopf über so viel Dummheit,
bezwang jedoch seine Ungeduld. »Nun ja«, wieder lächelte er mich

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