Die Hofnärrin
ihre
Vertrauten keine Hoffnung mehr auf den Thron hegten.
»Ich möchte zur Königin«, sagte ich und verneigte mich leicht.
»Mit diesem Begehr stehst du nicht allein«, gab sie säuerlich
zurück.
»Das habe ich gesehen«, sagte ich. »Herrscht so ein Treiben
hier, seit Ihr von London gekommen seid?«
»Jeden Tag kommen mehr«, erwiderte sie. »Sie müssen wohl
glauben, ihr Verstand wäre so weich wie ihr Herz. Wenn sie das
Königreich drei Mal verschenken würde, könnte sie ihre Forderungen
nicht erfüllen.«
»Darf ich hinein?«
»Sie betet«, sagte Jane Dormer. »Aber dich will sie gewiss
sehen.«
Sie erhob sich von dem Fensterplatz, und ich erkannte, dass
sie ihn gewählt hatte, damit niemand Zutritt zu der schmalen Tür
erlangte, ohne an ihr vorbeizumüssen. Sie öffnete die Tür und spähte
ins Gemach, dann winkte sie mich durch.
Die Königin hatte vor einem prächtigen gold- und
schildpattbesetzten Jesusbild gebetet, doch nun hatte sie sich
zurückgelehnt, und ihr Gesicht strahlte eine freudige Ruhe aus. Sie war
so ruhig und lieblich in ihrem Glück, dass jeder die Braut am
Hochzeitstag erkannt hätte: die Frau, die sich auf die Liebe
vorbereitet.
Als sie das Schließen der Tür vernahm, drehte sie langsam den
Kopf zu mir und lächelte. »Oh, Hannah! Wie ich mich freue, dass du
gekommen bist, du kommst gerade noch rechtzeitig.«
Ich durchquerte das Zimmer und kniete vor ihr nieder. »Gott
segne Euer Hoheit an diesem glücklichsten aller Tage.«
Mit der mir vertrauten Gebärde legte sie mir eine segnende
Hand auf die Stirn. »Es ist ein Glück bringender Tag, nicht wahr?«
Ich schaute auf. Um sie her war ein Leuchten, hell wie ein
zweiter Tag. »Das ist er, Euer Gnaden.« Ich zweifelte nicht im
Geringsten daran. »Ich kann sehen, dass dies ein wunderbarer Tag für
Euch wird.«
»Es ist der Anfang meines neuen Lebens«, sagte sie in
zärtlichem Ton. »Der Anfang meines Lebens als verheiratete Frau, als
Königin mit einem Prinzen an meiner Seite, in einem Land, das seinen
Frieden finden wird, und mit der größten Nation der Christenheit, der
Heimat meiner Mutter, als Bündnispartner.«
Ich sah lächelnd zu ihr auf. Immer noch kniete ich vor ihr.
»Und werde ich ein Kind gebären?«, fragte sie flüsternd.
»Kannst du das auch für mich voraussehen, Hannah?«
»Dessen bin ich sicher«, erwiderte ich mit ebenso leiser
Stimme.
Freude erblühte in ihrem Gesicht. »Sagt dir das dein Herz oder
deine Gabe?«, fragte sie schnell.
»Beide«, erwiderte ich schlicht. »Ich bin dessen gewiss, Euer
Gnaden.«
Einen Augenblick schloss sie die Augen. Ich wusste, dass sie
Gott für meine Zuversicht dankte und für das Versprechen einer Zukunft
für England, in der es Frieden geben, in der die religiösen Unruhen ein
Ende haben würden.
»Nun muss ich mich zurechtmachen«, sagte sie und erhob sich.
»Bitte Jane, dass sie mir meine Zofen schickt, Hannah. Ich möchte mich
ankleiden.«
Von der eigentlichen Zeremonie sah ich nicht
viel. Ich konnte gerade eben einen Blick auf Prinz Philipp werfen, der
auf den golden strahlenden Altar der Winchester-Kathedrale zuschritt,
doch dann wechselte der korpulente Landjunker aus Somerset vor mir sein
Standbein und versperrte mir völlig die Sicht, sodass ich nur noch die
erhabenen Stimmen der königlichen Chorsänger hörte, welche die
Hochzeitsmesse sangen. Im nächsten Moment holte die gesamte
Zuschauerschaft tief Luft, denn Bischof Gardiner hob die ineinander
verschränkten Hände des Paares, um zu zeigen, dass die Hochzeit nun
vollzogen und Englands jungfräuliche Königin eine verheiratete Frau war.
Ich dachte, ich würde den Prinzen beim Hochzeitsmahl sehen,
doch als ich den Gang zur Halle hinuntereilte, hörte ich Waffengeklirr
der spanischen Leibgarde und verbarg mich in einer Fensternische, bis
die Soldaten an mir vorbeigezogen waren. Dann näherte sich geräuschvoll
der Hofstaat des Prinzen, und er selber schritt in dessen Mitte. Und
dann, inmitten der Aufregung, bemächtigte sich meiner ein starkes
Gefühl. Es lag am Geraschel von Seide und Samt, an den reichen
Stickereien und Edelsteinen, an der dunklen Pracht der spanischen
Höflinge. Es lag am Duft der schweren Pomade, die sie in Haaren und
Bärten trugen, und an der Parfümkugel, die jeder von ihnen am Gürtel
trug. Es lag am Klirren der reich verzierten Brustplatten der Soldaten,
am Klirren der herrlich geschmiedeten Schwerter auf dem Stein. Es lag
an ihrer schnellen Sprechweise, die mir, da ich so lange
Weitere Kostenlose Bücher