Die Hofnärrin
in meiner Begleitung mit Philipp von
Spanien zusammenzutreffen!«, sagte sie grob. »Sie weiß genau, dass er
die ältliche Königin mit der jungen Prinzessin vergleichen –
und mich ihr vorziehen wird!«
Ich widersprach nicht. Zurzeit jedoch hätte niemand
begehrliche Blicke auf Elisabeth geworfen, aufgedunsen, wie sie war
durch ihre Krankheit, und die Augen rotgerändert und trübe. Allein ihre
Wut hielt sie noch aufrecht.
»Er ist ihr Verlobter«, wandte ich ein. »Es geht um eine Ehe
aus Gründen der Staatsraison, nicht des Begehrens.«
»Sie kann mich hier nicht einfach verrotten lassen! Ich
sterbe, wenn ich hierbleiben muss, Hannah! Ich bin todkrank gewesen,
und niemand kümmert sich um mich. Und Ärzte schickt sie mir auch
nicht – sie hofft, dass ich sterbe!«
»Ich bin sicher, dass sie nicht …«
»Und warum werde ich dann nicht zu Hofe geladen?«
Ich schüttelte nur den Kopf. Diese Diskussion war ebenso ein
Teufelskreis wie Elisabeths ruheloses Umherwandern im Raum. Plötzlich
blieb sie stehen und griff sich ans Herz.
»Ich bin krank«, sagte sie mit sehr schwacher Stimme. »Mein
Herz schlägt vor Angst, und heute Morgen war mir so übel, dass ich
nicht aufstehen konnte. Wirklich, Hannah, mir geht es ständig schlecht,
auch wenn das niemand sieht. Ich kann das nicht mehr ertragen, ich kann
so nicht weitermachen. Jeden Tag erwarte ich die Nachricht, dass sie
mich nun doch hinrichten lassen will. Jeden Morgen wache ich mit dem
Gedanken auf, dass die Soldaten mich holen kommen. Wie lange, glaubst
du, kann man das aushalten? Ich bin eine junge Frau, ich bin doch erst
zwanzig! Sie sollten am Hofe ein Fest zu Ehren meiner Volljährigkeit
feiern, ich sollte Geschenke bekommen. Ich sollte längst verlobt sein!
Wie kann man von mir erwarten, diese ständige Bedrohung auszuhalten?
Niemand macht sich eine Vorstellung, wie furchtbar das ist.«
Ich nickte. Die Einzige, die Elisabeth verstanden hätte, war
die Königin selbst, denn auch sie war einst eine allen verhasste
Thronerbin gewesen. Doch Elisabeth hatte die Liebe der Königin achtlos
beiseite geworfen und würde nun Schwierigkeiten haben, sie wieder zu
erringen.
»Setzt Euch«, sagte ich sanft. »Ich hole Euch einen Krug
Dünnbier.«
»Ich will kein Dünnbier«, sagte sie mürrisch. »Ich will den
mir zustehenden Platz bei Hofe. Ich will meine Freiheit.«
»Habt Geduld.« Ich holte Krug und Becher vom Regal und
schenkte ihr ein. Sie nahm einen Schluck, dann schaute sie zu mir hoch.
»Dir macht es ja nichts aus«, bemerkte sie gehässig. »Du bist
keine Gefangene. Du bist nicht einmal meine Dienerin. Du kannst kommen
und gehen, wie es dir beliebt. Und nun will sie dich zurück. Du wirst
alle unsere großartigen Freunde wiedersehen, die gewiss bei der
Hochzeitsfeier in Winchester zugegen sein werden. Bestimmt haben sie
schon ein neues Wams und eine neue Strumpfhose für dich zurechtgelegt,
mein kleiner Hermaphrodit. Bestimmt wirst du wieder im Gefolge der
Königin reiten.«
»Vielleicht.«
»Hannah, du darfst mich nicht verlassen«, bat sie schlicht.
»Lady Elisabeth, ich muss gehen, die Königin befiehlt es.«
»Sie hat gesagt, du sollst meine Gefährtin sein.«
»Und nun befiehlt sie meine Rückkehr.«
»Hannah!« Sie war den Tränen nahe.
Langsam kniete ich vor ihr nieder und schaute in ihr Gesicht.
Elisabeths Verhalten war stets eine Mischung aus heftigen Gefühlen und
Berechnung, sodass ich zumeist kaum wusste, woran ich mit ihr war.
»Mylady?«
»Hannah, ich habe niemanden außer dir und Kat und diesen
Dummkopf Sir Henry. Ich bin eine junge Frau auf dem Gipfel meiner
Schönheit und meiner geistigen Kraft, doch ich muss allein leben, als
Gefangene, mit keiner anderen Gesellschaft als einer Kammerzofe, einer
Närrin und einem Tölpel.«
»Dann werdet Ihr die Närrin wohl kaum vermissen«, erwiderte
ich trocken.
Ich hatte sie zum Lachen bringen wollen, doch dann entdeckte
ich, dass ihre Augen voller Tränen standen. »Ich werde die Närrin
vermissen«, betonte sie. »Ich habe keinen einzigen Freund, keinen
Menschen zum Reden. Niemand kümmert sich um mich.«
Sie stand auf. »Begleite mich zu einem Spaziergang«, befahl
sie.
Wir wandelten durch das baufällige Schloss und gelangten zu
einer Tür, die schief in ihren Angeln hing und in den Garten führte.
Die Prinzessin stützte sich schwer auf mich, und ich merkte, wie
schwach sie war. Der Weg war von Gras überwuchert, in den Gräben
sprossen Brennnesseln. Elisabeth und ich
Weitere Kostenlose Bücher