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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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zu
einer starren Maske geworden. »Wenn sie ihm einen Sohn gebiert, habe
ich nichts zu erwarten als die erzwungene Ehe mit irgendeinem
katholischen Prinzen oder den Tod.«
    »Ihr habt doch gesagt, dass jeder weitere Tag Überleben für
Euch einen Sieg bedeutet«, erinnerte ich sie.
    Sie lächelte nicht. Schüttelte nur den Kopf. »Überleben ist
nicht das Wichtigste. War es nie. Ich wollte für England am Leben
bleiben. Um Englands Prinzessin zu sein. Ich wollte am Leben bleiben
für mein Erbe.«
    Ich widersprach nicht, so fest schien sie davon überzeugt zu
sein. Ich allerdings hielt Elisabeth für eine Frau, die nicht nur um
ihres Landes willen am Leben bleiben wollte. Aber ich wollte sie nicht
erneut in einen ihrer leidenschaftlichen Anfälle treiben. »Tut das
weiterhin«, tröstete ich. »Bleibt am Leben, für England. Wartet ab.«
    Am nächsten Tag ließ sie mich ziehen,
obschon sie mir grollte wie ein Kind, dem man einen Wunsch verweigert
hat. Es war schwer zu sagen, was ihr mehr zu schaffen machte: ihre kaum
haltbare Position als protestantische Prinzessin in einem
römisch-katholischen England oder die Tatsache, dass sie nicht geladen
war zu dem größten Ereignis der Christenheit seit den Tagen des Field
of the Cloth of Gold {*} .
Als sie mich wortlos und
mit einem verdrießlichen Nicken entließ, glaubte ich schon, dass das
Schlimmste an diesem Morgen das Verpassen des Festes wäre.
    Der Weg nach Winchester war ganz leicht zu finden –
man musste einfach nur der Menschenmenge folgen. Es schien, als ob
jeder Mann, jede Frau und jedes Kind bei der Trauung unserer Königin
zugegen sein wollte. Auf den Landstraßen wimmelte es von Bauern, die
ihre Ware zum größten Markt des Landes karrten, von fahrenden
Künstlern, die ihre Buden gleich am Straßenrand aufbauten, von Dirnen
und Bettlern und Quacksalbern mit Wunderkuren, von Gänsemägden und
Waschweibern, Kutschern und Reitern, die Reservepferde am Zügel
führten. Man sah auch viele Soldaten, reitende Boten und Livrierte:
deutliche Anzeichen dafür, dass auch der Hof der Königin unterwegs war.
    Sir Henrys Männer hatten dem Kronrat Nachricht von Elisabeth
zu überbringen, deshalb trennten wir uns am Eingang zu dem Bischofssitz
Wolvesey, dem derzeitigen Wohnsitz der Königin. Ich begab mich
unverzüglich zu ihren Gemächern, wobei ich hinter jeder Tür auf neue
Bittsteller stieß. Ich schlüpfte unter Ellenbogen hindurch, zwängte
mich an breiten Schultern vorbei und drückte mich dicht an
holzgetäfelte Wände, um an beleibten Landjunkern vorbeizukommen.
Schließlich erreichte ich die königlichen Gemächer, die von
Leibwächtern mit gekreuzten Hellebarden bewacht wurden.
    »Ich bin die Hofnärrin der Königin«, stellte ich mich vor.
Einer der Männer erkannte mich. Er gab seinem Gefährten ein Zeichen,
sie traten beiseite und ließen mich passieren. Sie hielten mir die Tür
auf, während sie sich gleichzeitig gegen die Menge stemmen mussten.
    Im Audienzzimmer war es kaum leerer, doch hier gab es mehr
Seide und besticktes Leder zu sehen, und es wurde ebenso auf
Französisch und Spanisch parliert wie auf Englisch. Hier waren die
ehrgeizigen und aufstrebenden Männer und Frauen des Königreiches auf
der Jagd nach bevorzugten Pöstchen versammelt, vornehmlich darauf
bedacht, von dem neuen König bemerkt zu werden, der ja – so
Gott wolle! – immerhin ein paar Engländer in seinen Hofstaat
aufnehmen musste, denn mit Spaniern war er in seinem persönlichen
Gefolge mehr als versorgt.
    Eng an die Wand gedrückt, ging ich einmal um die Halle herum.
Dabei hörte ich Gesprächsfetzen, die mir die Schamröte ins Gesicht
trieben: Meistens drehte es sich darum, was der hübsche junge Prinz nur
an der alten Königin finden mochte. Meine Wangen brannten vor Zorn, und
ich knirschte mit den Zähnen, als ich endlich den Eingang ihrer
Privatgemächer erreichte.
    Die Wache ließ mich mit einem Nicken des Erkennens passieren,
doch selbst im Kabinett der Königin herrschte ständiges Kommen und
Gehen. Hier waren mehr Hofdamen und Bedienstete, Musiker, Sänger,
Gefolgsleute und Trabanten versammelt, als ich je zuvor in Königin
Marias Nähe gesehen hatte. Ich schaute mich nach ihr um, doch auch hier
war sie nicht: Der Stuhl in der Nähe des Kamins, der ihr als Thron
diente, war leer. Auf dem Fenstersitz saß Jane Dormer und stickte. Ihre
Miene war unbeteiligt und ausdruckslos, wie an jenem Tag, als ich sie
kennenlernte – als die Königin so krank gewesen war, dass

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