Die Hofnärrin
als Fremde in
einem fremden Land lebte, wie das sanfte Gurren von Tauben erschien.
Ich roch und sah und hörte die Spanier und spürte sie auf eine Weise,
die mir vollkommen neu war – und dann taumelte ich, tastete
hinter mir nach der Mauer, um mich zu fangen. Fast wäre ich ohnmächtig
geworden, denn das Heimweh, die Sehnsucht nach Spanien überwältigte
mich so sehr, dass es wehtat. Ich glaube, dass ich sogar aufschrie, und
ein Mann hörte mich. Er richtete den Blick seiner wohlbekannten Augen
auf mich und betrachtete mich neugierig.
»Was ist dir, Knabe?«, fragte er, als er meine goldene
Pagenlivree gewahrte.
»Das ist der heilige Hofnarr der Königin«, erklärte einer
seiner Untergebenen auf Spanisch. »Ein Spielzeug, das ihr sehr am
Herzen liegt. Halb Knabe, halb Mädchen, ein Hermaphrodit.«
»Meine Güte, eine vertrocknete alte Jungfer, die von einem
Knabenmädchen bedient wird«, witzelte ein Höfling mit kastilischem
Akzent. Der Prinz hörte es und machte »Pssst!«, doch es klang, als ob
er nicht seine frisch angetraute Ehefrau verteidigte, sondern lediglich
einen häufig gegebenen Tadel ausspräche.
»Bist du krank, Kind?«, fragte er mich auf Spanisch.
Einer seiner Begleiter trat vor und nahm meine Hand. »Der
Prinz fragt dich, ob du krank bist«, übersetzte er in gestelztem
Englisch.
Ich spürte, wie meine Hand unter der Berührung eines
spanischen Edelmannes zitterte. Ich erwartete, dass er mich sofort
erkennen würde, wissend, dass ich jedes Wort verstand, dass mir die
Antwort auf Spanisch eher auf der Zunge lag als auf Englisch.
»Ich bin nicht krank«, erwiderte ich auf Englisch. Ich sprach
sehr leise und hoffte, niemand würde die Reste meines spanischen
Akzents heraushören. »Ich war nur erschreckt durch den Prinzen.«
»Ihr habt sie nur erschreckt«, sagte der Mann lachend auf
Spanisch zu dem Prinzen. »Gott sei mit ihr, wie Ihr erst ihre Herrin
erschrecken werdet!«
Der Prinz nickte und schritt unbeirrt weiter. Ich
interessierte ihn nicht, war nur eine Bedienstete, die seine
Aufmerksamkeit nicht wert war.
»Eher wird sie ihn erschrecken«, bemerkte eine leise Stimme
aus dem Hintergrund. »Gott behüte, wie können wir unseren Prinzen mit
so einer alten Vettel ins Bett lassen?«
»Und eine Jungfrau dazu«, erwiderte ein anderer. »Nicht einmal
eine willige Witwe, die weiß, was ihr fehlt. Diese Königin wird unseren
Herrn zu Eis erstarren lassen, er wird in ihrem Bett verkümmern.«
»Und dann ist sie so langweilig«, behauptete der Erste.
Das hörte der Prinz. Er hielt inne und schaute sich zu seinem
Gefolge um. »Genug«, sagte er deutlich und auf Spanisch, da er dachte,
nur sie würden ihn verstehen. »Es ist nun einmal geschehen. Ich habe
sie zum Weibe genommen, und ich werde ihr beiwohnen, und wenn ihr hört,
dass ich es nicht vermag, dann könnt ihr über die Gründe Vermutungen
anstellen. Doch bis dahin lasst uns friedlich sein. Es ist nicht fair
gegenüber den Engländern, in ihr Land zu kommen und ihre Königin zu
beleidigen.«
»Sie haben uns auch nicht fair behandelt …«, begann
einer.
»Ein Land voller Tölpel …«
»Armselig und boshaft …«
»Und Besitz ergreifend!«
»Genug!«, wiederholte der Prinz.
Ich folgte ihnen durch den Wandelgang zu den Stufen, die in
die große Halle führten. Ich folgte ihnen wie an einer Kette gezogen,
ich hätte mich nicht von ihnen trennen können, und wenn mein Leben
davon abhinge. Ich war wieder bei meinem Volk und hörte seine vertraute
Sprache, auch wenn jedes Wort üble Nachrede war gegen die einzige Frau,
die freundlich zu mir gewesen war, oder gegen England, meine zweite
Heimat.
Will Somers war es, der mich aus meiner
Entrückung riss. Als ich den Spaniern in die große Halle folgen wollte,
nahm er meinen Arm und schüttelte mich leicht. »Was denn, Mädel?
Träumen wir?«
»Will«, sagte ich und packte seinen Ärmel, als müsse ich mich
festhalten. »Oh Will!«
»Na, na«, machte er und tätschelte mir sanft den Rücken, als
sei ich ein übermäßig erregter Page. »Dummes kleines Mädchen.«
»Will, die Spanier …«
Er zog mich von der Tür fort und legte mir schützend den Arm
um die Schulter.
»Sieh dich vor, kleiner Narr«, warnte er mich. »In Winchester
haben sogar die Mauern Ohren, und du weißt nie, wen du beleidigst.«
»Sie sind so …« Ich suchte nach Worten. »Sie sind
so … schön!«, brach es aus mir heraus.
Will lachte hell auf, ließ mich los und klatschte in die
Hände. »Schön,
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