Die Hofnärrin
schlichen durch diesen
vernachlässigten Garten wie zwei alte Weiblein, jedes auf das andere
gestützt. Einen Augenblick lang kam mir ihre Angst gerechtfertigt vor:
Es stimmte, diese Einkerkerung würde ihren Tod bedeuten, es war nicht
nötig, dass die Königin den Scharfrichter herschickte. Wir traten durch
ein Schwingtor in den Obstgarten. Wie Schnee lagen Blütenblätter auf
dem Grase, die cremeweißen Äste der Bäume bogen sich zum Boden.
Elisabeth schaute sich im Garten um, dann legte sie mir die Hand auf
den Arm und zog mich zu sich.
»Ich gehe zugrunde«, mahnte sie leise. »Wenn sie ihm einen
Sohn gebiert, ist es mein Untergang.« Sie wandte sich ab und schritt
über das Gras. An ihrem schäbigen schwarzen Kleid blieben die feuchten
Blütenblätter hängen. »Ein Sohn«, murmelte sie, selbst im Kummer noch
darauf bedacht, ihre Stimme zu dämpfen. »Ein verfluchter spanischer
Sohn. Ein verfluchter katholischer, spanischer Sohn. Und England ein
Vorposten des spanischen Reiches – mein England ein Werkzeug
der spanischen Politik. Die Priester parieren, die Scheiterhaufen
beginnen zu brennen, und meines Vaters Glaube und Erbe werden aus der
englischen Erde gerissen, ehe sie Zeit hatten, zur Blüte zu gelangen.
Verflucht soll sie sein! Verflucht seien sie und ihr zu Unrecht
empfangenes Kind!«
»Lady Elisabeth!«, rief ich. »Sprecht nicht so!«
Mit hoch erhobenen Händen und geballten Fäusten ging sie auf
mich los. Fast hätte sie mich geschlagen. Sie war so erregt, dass sie
nicht mehr wusste, was sie tat. »Verflucht sei sie, verflucht seist du,
weil du ihr immer noch die Treue hältst.«
»Ihr müsst doch mit so etwas gerechnet haben«, widersprach
ich. »Die Heirat war beschlossen, er konnte doch nicht ewig
warten …«
»Warum hätte ich damit rechnen sollen, dass sie heiratet?«,
fuhr sie mich an. »Wer hätte sie denn genommen? Alt und hässlich, ihr
halbes Leben lang als Bastard verunglimpft – die Hälfte der
Prinzen Europas hat sie doch bereits verschmäht. Wenn sie nicht dieses
verfluchte spanische Blut in sich hätte, würde auch Philipp sie nicht
gewollt haben. Gewiss hat er versucht, diese Heirat abzuwenden. Auf
Knien wird er darum gebetet haben, dass ihm ein anderes Schicksal
beschert sei, als an diese alte vertrocknete Jungfer gebunden zu sein!«
»Elisabeth!«, rief ich, ehrlich erschrocken.
»Was denn?« Ihre Augen blitzten vor Wut. »Was ist falsch
daran, die Wahrheit auszusprechen? Er ist ein gut aussehender junger
Mann, der halb Europa erben wird, sie aber ist eine Frau, die vor der
Zeit alt geworden ist. Sie ist alt! Es ist widerlich, sich
vorzustellen, wie ein junges Schwein eine alte Sau begattet. Es ist
abscheulich! Und wenn sie nach ihrer Mutter schlägt, wird sie nur tote
Babys zur Welt bringen.«
Ich hielt mir die Ohren zu. »Ihr habt eine Lästerzunge«,
scheute ich mich nicht zu sagen.
Elisabeth fuhr zu mir herum. »Und du bist treulos!«, rief sie.
»Du solltest meine Freundin sein, und wenn ich noch so harte Dinge
sage. Du wurdest mir als Hofnärrin übereignet, sei also mein. Und ich
sage nichts als die lautere Wahrheit: Ich würde mich schämen, einem
jungen Mann derart hinterherzulaufen. Ich würde lieber sterben, als
einen Mann zu umwerben, der jung genug ist, mein Sohn zu sein. Ich
würde lieber jetzt gleich sterben, als so alt zu werden wie
sie – damit ich eine unansehnliche alte Jungfer bin, die zu
nichts nutze ist und niemandem zur Freude gereicht!«
»Ich bin nicht treulos«, sagte ich fest. »Und sie hat mich als
Gefährtin zu Euch geschickt, nicht als Hofnärrin. Ich wäre gern Eure
Freundin. Aber ich kann nicht hören, dass Ihr sie beschimpft wie ein
Fischweib vom Billingsgate-Markt.«
Die Prinzessin stieß ein Wimmern aus und stürzte zu Boden. Ihr
Gesicht war so weiß wie die Apfelblüten, und sie schlug ihre Hände vor
den Mund.
Ich kniete neben ihr und nahm ihre Hände. Sie waren eiskalt,
und die Prinzessin sah aus, als stünde sie kurz vor einem
Zusammenbruch. »Lady Elisabeth«, redete ich sanft auf sie ein.
»Beruhigt Euch. Diese Heirat muss stattfinden. Ihr könnt nichts dagegen
tun.«
»Aber nicht einmal eingeladen zu sein …« Wieder
wimmerte sie.
»Das ist hart. Doch sie hat Euch viel Barmherzigkeit
erwiesen.« Ich überlegte. »Bedenkt – er hätte Euch den Kopf
abschlagen lassen.«
»Und dafür soll ich nun dankbar sein!«
»Ihr könntet Euch beruhigen. Und abwarten.«
Ihr Gesicht, das sie mir nun zuwandte, war mit einem Mal
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