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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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der
Bediensteten eines Dudley zweifeln. Niemand würde den Hofnarren des
Königs in Frage stellen.«
    »Vater, wie konntet Ihr mich nur mit ihm gehen lassen? Warum
wart Ihr einverstanden, dass sie mich Euch weggenommen haben?«
    »Hannah, wie hätte ich sie denn daran hindern sollen?«
    In dem kalkweiß getünchten Raum unter den
Dachtraufen des Palastes inspizierte ich den Berg meiner neuen Kleider
und las das Verzeichnis, das der Untergebene des Haushofmeisters
beigelegt hatte:
    Eine Pagenlivree in Gelb
Eine Strumpfhose, dunkelrot
Eine Strumpfhose, dunkelgrün
Ein Überrock, lang
Zwei Leinenhemden als Untergewand
Zwei Ärmelpaare, ein Paar rot, ein Paar grün
Ein schwarzer Hut
Ein schwarzer Umhang für Ausritte
Ein Paar Schuhe, zum Tanzen geeignet
Ein Paar Stiefel, zum Reiten
Ein Paar Stiefel, geeignet für Spaziergänge
Alles gebraucht, jedoch sauber und geflickt und übergeben
an die Hofnärrin des Königs, Hannah Green.
    »Ich werde wirklich wie ein Narr aussehen.«
    An diesem Abend kam mein Vater an die
hintere Pforte des Palastes, und ich erstattete ihm Bericht über die
Ereignisse des Tages. »Am Hof sind bereits zwei Narren, eine Zwergin
namens Thomasina und ein Spaßmacher, Will Somers. Er ist sehr nett zu
mir gewesen und hat mir gezeigt, wo ich sitzen konnte, nämlich neben
ihm. Er ist sehr witzig, hat alle zum Lachen gebracht.«
    »Und was hast du zu tun?«
    »Bislang nichts. Mir wollte nichts einfallen, daher habe ich
nichts gesagt.«
    Mein Vater schaute sich um. In der Dunkelheit des Parks schrie
eine Eule, es war fast wie ein Zeichen.
    »Kannst du dir nicht etwas ausdenken? Wollen sie nicht, dass
du ihnen etwas erzählst?«
    »Vater, ich kann nicht so tun, als sähe ich etwas. Ich kann
die Vorhersehung nicht herbeizwingen. Entweder sie wird mir zuteil oder
eben nicht.«
    »Hast du Lord Robert gesehen?«
    »Er hat mir zugezwinkert.« Ich lehnte mich an den kalten Stein
und zog meinen neuen warmen Umhang fester um die Schultern.
    »Und der König?«
    »Er war nicht einmal beim Mahl. Es hieß, er sei krank. Sie
haben ein Festmahl aufgetischt, als wäre der König zugegen, aber dann
wurde ihm ein kleiner Teller in seine Gemächer geschickt. Der Herzog
hat seinen Platz am Kopf der Tafel eingenommen, nur auf den Thron hat
er sich nicht gesetzt.«
    »Und behält der Herzog dich im Auge?«
    »Er hat mich nicht einmal angesehen.«
    »Hat er dich vergessen?«
    »Ach, er hat es nicht nötig zu schauen, wer wo ist, und was
alle tun. Er wird mich schon nicht vergessen haben. Er ist ein Mann,
dem nichts entgeht.«
    Der Herzog hatte beschlossen, es solle zu
Lichtmess ein Maskenspiel gegeben werden. Er gab es als Wunsch des
Königs aus, deshalb mussten wir alle besondere Kostüme tragen und
unseren Text lernen. Will Somers, der Spaßmacher, der vor zwanzig
Jahren an den Hof gekommen war, als er in meinem Alter war, sollte das
Stück ansagen und ein Verslein vortragen. Dann sollte der Chor singen,
und ich sollte ein eigens zu diesem Anlass verfasstes Gedicht
vortragen. Mein Kostüm war eine neue Livree, maßgeschneidert in der
Narrenfarbe Gelb, denn meine alte Livree war mir um die Brust zu eng
geworden. Ich war ein seltsames androgynes Wesen, ein Mädchen an der
Schwelle zum Frausein. Wenn ich mich an manchen Tagen bei besonderem
Licht im Spiegel betrachtete, vermeinte ich eine Fremde, eine Schönheit
vor mir zu sehen. An anderen Tagen kam ich mir so hässlich vor wie eine
Schieferplatte.
    Der Zeremonienmeister gab mir ein kleines Schwert und befahl
Will und mir, einen Kampf einzuüben, der Teil des Maskenspiels sein
sollte.
    Zu unserer ersten Übungsstunde trafen wir uns in einem der
Empfangszimmer neben der großen Halle. Ich stellte mich ungeschickt an,
verspürte auch keinen Drang zu solcher Übung; ich wollte nicht lernen,
mit dem Schwert zu kämpfen wie ein Mann, wollte nicht zum öffentlichen
Gespött werden, wenn ich Prügel einstecken musste. Niemand bei Hofe
außer Will Somers hätte mich vom Gegenteil überzeugen können, doch er
benahm sich wie ein Lehrer, der meine Griechischkenntnisse verbessern
sollte. Seiner Meinung nach war das Fechten eine Fertigkeit, die ich
lernen musste, und zwar von Grund auf. Will begann mit meiner Haltung.
Er legte mir die Hände auf die Schultern, drückte sie sanft nach unten,
dann nahm er mein Kinn und drückte es nach oben. »Halte den Kopf hoch
wie eine Prinzessin«, wies er mich an. »Hast du jemals Lady Maria in
schlapper Haltung sitzen sehen? Oder Lady Elisabeth mit

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