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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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schüttelte den Kopf. Will klemmte sein Holzschwert
zwischen die Beine und galoppierte von einer Seite des Saals zur
anderen. »Er kann nicht mehr denken, er kann nicht mehr sprechen, er
weiß weder seine Gedanken noch seine Wünsche zu beherrschen, er rennt
hinter seinem Schwanz her wie ein Hund, der eine Spur verfolgt, und
alles, was er tut, ist heulen. Au-wau-wau-waauuu!«
    Ich lachte lauthals, während Will durch den Saal fegte, an
seinem Holzschwert zerrte, als wollte er ein Pferd zügeln, und sich
zurücklehnte, als wollte er sein Herunterfallen verhindern. Abrupt
blieb er stehen und grinste mich an. »Frauen können keinen Verstand
besitzen«, behauptete er. »Welches Wesen mit ein wenig Grips würde
jemals einen solchen Mann wollen?«
    »Na, ich bestimmt nicht«, erwiderte ich.
    »Gott segne dich und erhalte dir deine Jungfernschaft, du
Knabenmädchen. Aber wie willst du einen Ehemann bekommen, wenn du
keinen Mann willst?«
    »Will ja auch keinen.«
    »Dann bist du wirklich eine Närrin. Wovon willst du denn
leben, wenn du keinen Ehemann hast?«
    »Ich werde mich selber ernähren.«
    »Wiederum eine Närrin, denn dann bleibt dir nur, deinen
Lebensunterhalt durch Narretei zu verdienen. Also bist du ein
dreifacher Narr. Erstens, weil du keinen Ehemann willst, zweitens, weil
du dich ohne die Hilfe eines Ehemannes erhalten willst, und drittens,
weil du dein Auskommen mit Narretei bestreiten willst. Ich bin nur ein
einfacher Narr, du aber ein dreifacher!«
    »Keineswegs!«, versetzte ich und passte mich seinem Ton an.
»Nämlich, weil du schon seit Jahren ein Narr bist, weil du bereits zwei
Königen gedient hast. Ich aber bin erst seit wenigen Wochen Hofnärrin.«
    Da musste Will lachen und klopfte mir auf die Schulter. »Nimm
dich in Acht, Knabenmädchen. Wenn du ein witziger statt ein heiliger
Narr sein willst, dann kann ich dir flüstern, dass es viel
anstrengender ist, jeden Tag seine Narrenpossen und Scherze zu machen,
als einmal im Monat etwas Überraschendes von sich zu geben.«
    Bei der Vorstellung, meine Arbeit werde darin bestehen, einmal
im Monat etwas Überraschendes zu sagen, musste ich laut lachen.
    »Nun aber frisch ans Werk!«, rief Will Somers und zog mich
hoch. »Wir müssen doch üben, wie du mich bei der Lichtmessfeier
möglichst lustig ermordest.«
    Rechtzeitig hatten wir unseren Schwerttanz
einstudiert, und er machte einen überaus komischen Eindruck. Mindestens
zwei Übungsstunden endeten damit, dass wir uns vor Lachen die Bäuche
hielten, weil wir einen Ausfall falsch berechnet hatten und mit den
Köpfen aneinanderkrachten oder beide zugleich eine Finte ausführten und
als Folge davon hintenüberkippten. Eines Tages jedoch steckte der
Zeremonienmeister seinen Kopf in den Saal und sagte: »Man braucht euch
nicht mehr. Der König hat das Maskenspiel abgesagt.«
    Ich drehte mich überrascht um. »Aber wir sind bereit!«
    »Er ist krank«, sagte der Zeremonienmeister mürrisch.
    »Und wird Lady Maria immer noch bei Hofe erwartet?«, fragte
Will und streifte sein Wams über, denn ein kalter Luftzug wehte in den
Saal.
    »Man munkelt es«, erwiderte der Zeremonienmeister. »Und dieses
Mal bekommt sie bessere Zimmer und ein größeres Stück vom Braten,
meinst du nicht auch, Will?«
    Er schloss die Tür, bevor Will darauf antworten konnte, und so
fragte ich ihn: »Was soll denn das heißen?«
    Will machte ein ernstes Gesicht. »Es soll heißen, dass
diejenigen bei Hofe, die für die Thronerbin sind und nicht für den
König, nun ihre Schäfchen ins Trockene bringen.«
    »Und warum?«
    »Weil die Fliegen immer zum größten Misthaufen fliegen. Darum.«
    »Will? Was bedeutet das?«
    »Ach, Kind. Lady Maria ist die Anwärterin auf die Krone. Sie
erbt den Thron, wenn wir unseren König verlieren. Gott steh ihm bei,
dem armen Jungen.«
    »Aber sie ist doch eine Ketz…«
    »Sie ist Katholikin«, berichtigte er sogleich.
    »Und König Eduard …«
    »Es wird ihm das Herz brechen, wenn er das Königreich einer
katholischen Thronerbin überlassen muss, aber er kann nichts dagegen
tun. So hat es König Heinrich bestimmt. Gott sei mit ihm, er muss sich
ja im Grabe umdrehen, weil es so gekommen ist. Er hat gehofft, sein
Sohn Eduard würde ein starker, lebenslustiger Mann werden, der ein
gutes halbes Dutzend Prinzen zeugt. Da kommt man schon ins Grübeln,
nicht wahr? Was soll aus England werden? Früher unsere rüstigen Könige:
Heinrichs Vater und Heinrich selbst, schön wie die Sonne, unzüchtig wie
die

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