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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Wächterin. Und ich wäre eine
schlechte Wächterin, wenn ich sie einfach verbrannte, nur um meine Haut
zu retten.
    Es klopfte an der Tür, und ich schnappte vor Schreck nach
Luft – ich war eine sehr furchtsame Wächterin. Ich ging nach
vorn in den Laden und schloss sorgfältig die Tür zur Druckerei mit den
verräterischen Titeln. Doch draußen stand nur unser Nachbar.
    »Dachte ich doch, dass ich dich hätte hineingehen sehen«,
sagte er freundlich. »Vater immer noch nicht zurück? Gefällt es ihm zu
gut in Frankreich?«
    »Es scheint so«, erwiderte ich und wagte, wieder zu atmen.
    »Ich habe hier einen Brief für dich«, fuhr er fort. »Ist es
eine Bestellung? Solltest du sie an mich weiterreichen?«
    Ich schaute auf das Papier. Es trug das Dudley-Siegel mit Bär
und Stamm. Ich bemühte mich um eine möglichst gleichgültige Miene. »Ich
sehe es mir an, Sir«, sagte ich höflich. »Und falls es sich um etwas
handelt, das Ihr auf Lager habt, bringe ich Euch das Schreiben.«
    »Ich kann auch Manuskripte beschaffen«, sagte er eifrig.
»Solange es sich um erlaubte Schriften handelt. Keine Theologie
natürlich, keine Wissenschaft, keine Astrologie, keine Studien über die
Planeten und ihre Strahlen oder über die Gezeiten. Nichts von neuen
Wissenschaften, nichts, was die Bibel in Frage stellt. Alles andere
schon.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch viel übrig bleibt,
wenn Ihr dies alles nicht auf Lager habt«, bemerkte ich säuerlich, an
John Dees jahrelange Forschungen denkend, in die alle möglichen
Disziplinen eingeflossen waren.
    »Ergötzliche Bücher«, fuhr er fort. »Und die Schriften der
Kirchenväter, soweit sie von der Kirche approbiert sind. Doch nur auf
Latein. Ich könnte Bestellungen der Damen und Herren vom Hofe
entgegennehmen, wenn du ihnen gegenüber meinen Namen erwähnst.«
    »Ja«, sagte ich. »Aber man fragt keinen Narren nach der
Weisheit von Büchern.«
    »Das wohl nicht. Aber sollten sie doch Interesse
zeigen …«
    »Dann werde ich sie an Euch verweisen«, versicherte ich,
eifrig darauf bedacht, ihn loszuwerden.
    Er nickte und wandte sich endlich zur Tür. »Richte deinem
Vater meine besten Wünsche aus, wenn du ihn siehst. Der Hausbesitzer
sagt, er darf die Presse stehen lassen, bis sich ein neuer Mieter
findet. Die Geschäfte gehen immer noch so schlecht …« Er
schüttelte traurig den Kopf. »Niemand hat Geld, niemand traut sich zu,
ein Geschäft aufzuziehen, solange wir auf den Thronerben warten und auf
bessere Zeiten hoffen. Sie ist doch wohlauf, nicht wahr? Die Königin?
Befindet sich wohl und in der Blüte ihrer Schwangerschaft, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Und es dauert nur noch wenige Monate.«
    »Gott erhalte ihn, den kleinen Prinzen«, sagte unser Nachbar
und bekreuzigte sich fromm. Ich beeilte mich, es ihm nachzutun, und
hielt ihm die Tür auf.
    Sobald er gegangen war, legte ich den Riegel vor und öffnete
meinen Brief.
    Mein lieber holder Knabe,
    wenn Du einen Augenblick für einen
alten Freund erübrigen könntest, wäre dieser sehr erfreut, Dich zu
empfangen. Ich brauche Zeichenpapier und ein paar gute Stifte und
Federn, da ich mich nun zum Zeitvertreib auf die Dichtkunst verlegt
habe, denn diese Zeiten sind zu unruhig, als dass man sie mit etwas
anderem als mit der Betrachtung von Schönheit verbringen könnte.
Solltest Du diese Gegenstände in Deinem Geschäft zur Hand haben, so
bringe sie mir doch bitte, sobald es Deine Zeit zulässt. Robt .
Dudley. (Mich findest Du stets im Tower, es ist nicht nötig, eine
Verabredung zu treffen.)
    Sein Schreibtisch war so nah wie möglich ans
Fenster geschoben worden, damit er das Tageslicht ausnutzen konnte. Er
stand am Fenster und schaute auf das Rasenstück, und ich stand bereits
neben ihm, als er sich umdrehte. Sofort war ich in seinen
Armen – er umarmte mich wie ein Kind, ein geliebtes kleines
Mädchen. Mich jedoch erfüllte das Verlangen einer erwachsenen Frau.
    Er spürte es sofort. Zu lange war er ein Freund des schönen
Geschlechts gewesen, um nicht zu spüren, dass eine Frau hingebungsvoll
in seinen Armen lag. Sofort ließ er mich los und trat einen Schritt
zurück, als fürchtete er, sein Verlangen könne ebenfalls erwachen.
    »Holder Knabe, ich bin entsetzt! Du bist ja inzwischen
vollends zur Frau geworden.«
    »Das habe ich nicht gemerkt«, sagte ich. »Ich hatte an anderes
zu denken.«
    Er nickte, sein reger Verstand hatte die Anspielung sogleich
begriffen. »Die Welt verändert sich so

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