Die Hofnärrin
nannte.
»Und wie geht es unserem Freier?«, fragte Lord Robert, ließ
sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen und legte die Füße
auf die ausgebreiteten Papiere. »Drängt es ihn in den Ehestand? Ist er
leidenschaftlich?«
»Er ist in Padua und sehr fleißig«, sagte ich mit leisem
Stolz. »Studiert Medizin an der Hochschule.«
»Und wann wird er heimkehren, um seine jungfräuliche Braut zu
fordern?«
»Wenn ich aus Elisabeths Diensten entlassen bin«, erwiderte
ich. »Dann gehe ich zu ihm nach Frankreich.«
Er nickte nachdenklich. »Du weißt, dass du zu einer
begehrenswerten Frau herangewachsen bist, nicht wahr, holder Knabe? Ich
hätte den kleinen Halbknaben in dir nicht wiedererkannt.«
Ich fühlte meine Wangen dunkelrot erglühen, schlug jedoch
nicht wie eine verschämte Magd die Augen unter den überwältigenden
Komplimenten meines Gebieters nieder. Nein, ich behielt den Kopf oben
und fühlte seinen Blick wie eine Liebkosung über meine Gestalt gleiten.
»Ich hätte dich niemals nehmen können, als du noch ein Kind
warst«, sagte er nun. »Dies ist eine Sünde und nicht nach meinem
Geschmack.«
Ich nickte gehorsam, wartete, was als Nächstes kam.
»Und auch nicht damals, als du für meinen Tutor in den Spiegel
gesehen hast«, fuhr er fort. »Ich hätte dir weder dich selbst noch
deine Gabe rauben wollen.«
Ich verharrte stumm.
»Doch wenn du eine erwachsene Frau und die Ehefrau eines
anderen Mannes bist und mich dennoch begehrst, darfst du gern zu mir
kommen«, sagte er. Seine Stimme war leise, warm und unendlich
verführerisch. »Mir würde es gefallen, dich zu lieben, Hannah. Ich
würde dich gern in meinen Armen halten und fühlen, wie schnell dein
Herz schlägt – was es wohl auch jetzt tut.« Er hielt inne.
»Stimmt es nicht? Hast du nicht Herzklopfen, eine trockene Kehle, bist
schwach in den Knien und spürst das Verlangen?«
Schweigend nickte ich.
Er lächelte. »Also bleibe ich auf dieser Seite des Tisches und
du dort drüben, und wenn du keine Jungfrau und kein Mädchen mehr bist,
sollst du dich daran erinnern, dass ich dich begehre, und dann sollst
du zu mir kommen.«
Ich hätte meine ehrliche Liebe und meinen Respekt vor Daniel
zum Ausdruck bringen sollen, ich hätte Lord Robert für seine Arroganz
zürnen sollen. Stattdessen lächelte ich, als wäre ich einverstanden,
und zog mich langsam zurück, Schritt für Schritt, bis ich an der Tür
stand.
»Kann ich Euch beim nächsten Mal etwas mitbringen?«, fragte
ich dann.
Er schüttelte den Kopf. »Komme erst, wenn ich nach dir
schicke«, befahl er in kühlem Ton, meilenweit entfernt von dem Aufruhr
der Gefühle, in dem ich mich befand. »Und halte dich von Kat Ashley und
Elisabeth fern, mein Vögelchen, nachdem du meine Botschaft überbracht
hast. Es ist zu deiner eigenen Sicherheit. Komm erst wieder zu mir,
wenn ich ausdrücklich nach dir geschickt habe.«
Ich nickte, spürte das raue Holz der Tür im Rücken und klopfte
mit zitternden Fingern.
»Aber Ihr werdet doch nach mir schicken?«, beharrte ich mit
dünnem Stimmchen. »Ihr werdet mich nicht einfach vergessen?«
Lord Robert legte seine Finger an die Lippen und warf mir eine
Kusshand zu. »Holder Knabe, schau dich um, siehst du vielleicht einen
Hofstaat mit edlen Damen und Herren, die mir huldigen? Ich habe keine
anderen Besucher als meine Frau und dich. Alle anderen haben sich
davongeschlichen, bis auf die beiden Frauen, die mich lieben. Ich lasse
nicht so oft nach dir schicken, weil ich dich nicht in Gefahr bringen
will. Ich glaube kaum, dass es dir gefallen würde, die Aufmerksamkeit
des Hofes auf dich zu ziehen, auf dein Kommen und Gehen. Ich lasse nach
dir schicken, wenn ich einen Auftrag habe oder wenn ich es keinen
weiteren Tag ohne deinen Anblick aushalte.«
Der Soldat zog die Tür hinter mir auf, doch ich konnte mich
nicht von der Stelle rühren.
»Ihr mögt meinen Anblick?«, flüsterte ich. »Habt Ihr gesagt,
Ihr könnt es manchmal keinen weiteren Tag ohne meinen Anblick
aushalten?«
Sein Lächeln war so liebevoll wie eine Liebkosung und ebenso
unverbindlich. »Dein Anblick ist eine meiner größten Freuden«, sagte er
liebenswürdig. Dann fasste der Soldat mich sanft am Ellenbogen, und ich
musste hinaus.
Frühling-Sommer
1555
I n Hampton Court war das Gemach für die
Niederkunft und das Wochenbett der Königin vorbereitet worden. Die
Wände der Kammer hinter ihrem Schlafzimmer waren mit prächtigen
Gobelins verhängt worden, die lediglich heilige
Weitere Kostenlose Bücher