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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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hielt sie mit der Hand auf der Klinke inne und warf dem
König noch einen Blick über die Schulter zu: eine offene Einladung, ihr
zu folgen. Dann schlüpfte sie durch die Tür und war verschwunden. Er
konnte ihr nur nachstarren.
    Es wurde wärmer, und die Königin verlor ein
wenig von ihrem Glanz. Nachdem sie den Entschluss so lange wie möglich
hinausgeschoben hatte, verabschiedete sie sich in der ersten Maiwoche
von ihrem Hofstaat und überschritt die Schwelle zu dem verdunkelten
Gemach, in dem sie bis zu sechs Wochen nach der Geburt ihres Sohnes,
bis zur Taufe des Kindes, ausharren sollte. Die Einzigen, die Zutritt
zu der Kammer hatten, waren ihre Hofdamen, während der Kronrat seine
Anweisungen vom König entgegennehmen musste. Wenn der König der Königin
etwas ausrichten lassen wollte, musste er es den Hofdamen
anvertrauen – es ging allerdings schon das Gerücht, dass die
Königin dieses Gebot missachtete und ihren Gemahl gebeten hatte, sie zu
besuchen. Die Vorstellung, drei Monate von ihm getrennt zu sein, konnte
sie nicht ertragen, obwohl es unschicklich war, dass er sie vor ihrer
Niederkunft und in der Zeit des Wochenbettes besuchte.
    Ich dachte an den Blick, den Elisabeth dem König zugeworfen
hatte, und wie er wie ein hungriger Hund ihren wiegenden Hüften gefolgt
war, und fand, dass die Königin gut beraten war, ihn zum Besuch zu
bitten, auch wenn es gegen die Tradition war. Elisabeth war nicht zu
trauen, wenn es um die Ehemänner anderer Frauen ging, zumal, wenn die
Ehefrau für ein Vierteljahr eingesperrt war.
    Das Baby verspätete sich ein wenig. Woche um Woche verstrich,
und es schien immer noch nicht kommen zu wollen. Die Hebammen
prophezeiten, da es sich so lange Zeit ließe, würde es ein kräftiges
Kind sein, und die Königin könne mit sanfteren Wehen rechnen –
wenn sie denn einsetzten, was jeden Tag der Fall sein musste. Doch der
Mai verstrich, und die Bemerkungen häuften sich, dass dieses Kind schon
reichlich überfällig war. Die Kindermädchen rollten die Windelstoffe
wieder zusammen und redeten darüber, ob sie frische Kräuter ausstreuen
sollten. Die Ärzte lächelten milde und deuteten taktvoll an, dass eine
so geistliche, weltferne Dame wie die Königin möglicherweise das Datum
der Empfängnis falsch berechnet habe – man solle besser das
Monatsende abwarten.
    Während der langen, heißen Sommerwochen, in denen das ganze
Land auf den Thronerben wartete, ereignete sich einmal ein peinlicher
Zwischenfall: Ganz London wurde durch das Gerücht in Aufregung
versetzt, die Königin habe einem Sohn das Leben geschenkt. Die Menschen
gerieten vor Freude außer sich, sie läuteten die Glocken und sangen auf
den Straßen. Lärmend zogen die Feiernden zum Hampton Court, nur um zu
hören, dass gar nichts geschehen war, dass wir alle noch auf das
Ereignis warteten.
    Jeden Tag saß ich bei Königin Maria in dem abgedunkelten Raum.
Manchmal las ich ihr auf Spanisch aus der Bibel vor, manchmal teilte
ich ihr den neuesten Klatsch vom Hofe mit oder berichtete von Wills
neuesten Späßen. Ich brachte ihr Blumen aufs Zimmer: Maßliebchen und
später knospende Rosen, damit sie die äußere Welt, in die sie ja bald
zurückkehren würde, nicht so sehr vermisste. Sie nahm die Blumen mit
freudigem Lächeln entgegen. »Wie, blühen die Rosen schon?«
    »Ja, Euer Majestät.«
    »Es schmerzt mich, dass ich es dieses Jahr nicht sehe.«
    Wie ich befürchtet hatte, senkten sich die Dunkelheit und
Abgeschiedenheit schwer auf ihr Gemüt. Hinter zugezogenen Vorhängen und
bei Kerzenlicht war es zu dunkel, um zu sticken, ohne sich alsbald
heftige Kopfschmerzen einzufangen, und das Lesen war ebenfalls eine
Qual. Die Ärzte hatten befohlen, dass die Königin keine Musik hören
sollte, und die Hofdamen hatten bald alle Gesprächsthemen erschöpft.
Die Luft im Raum war abgestanden und schwer, rauchig durch das ewig
prasselnde Feuer und erfüllt von den Seufzern ihrer eingesperrten
Gefährtinnen. Nach einem Morgen in dem stickigen Gemach ertappte ich
mich dabei, dass ich fluchtartig die Mauern verließ, um an die frische
Luft zu gelangen.
    Die Königin hatte sich in die Wochenbettkammer mit der
Erwartung zurückgezogen, bald würde es so weit sein. Wie jede
Erstgebärende hatte sie ein wenig Angst vor den Wehen, zumal sie für
ein erstes Kind schon ein bisschen zu alt war. Doch diese Angst war
durch ihre Überzeugung wettgemacht worden, dass dieses Kind von Gott
gesandt war, denn es hatte heftig gestrampelt, als der

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