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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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drückte John Dees Hand meine
Schulter, und er sagte mir ins Ohr: »Trink das, mein Kind.«
    Es war ein Becher mit warmem Bier. Ich lehnte mich zurück und
nahm einen Schluck. Meine Augen fühlten sich schwer und müde an, wie
bei einer Krankheit.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich muss eingeschlafen sein.«
    »Erinnerst du dich an gar nichts?«, fragte er neugierig.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe nur die Flammen beobachtet,
dann bin ich eingeschlafen.«
    »Du hast gesprochen«, berichtigte John Dee. »Du hast in einer
Sprache gesprochen, die ich nicht verstehe, aber ich glaube, es war die
Sprache der Engel. Gelobt sei Gott, ich glaube, du hast zu den Engeln
in ihrer eigenen Sprache gesprochen! Ich habe es so gut mitgeschrieben,
wie ich vermochte, und ich werde versuchen, es zu übersetzen …
wenn es der Schlüssel ist, wie wir mit Gott sprechen können!« Er
verstummte.
    »Habe ich nichts gesagt, das Ihr verstehen konntet?«, fragte
ich, immer noch benommen.
    »Ich habe dich in Englisch befragt, und du hast mir in
Spanisch geantwortet«, erwiderte er. Er bemerkte mein Erschrecken.
»Schon gut«, beschwichtigte er. »Welche Geheimnisse du auch hütest, bei
mir sind sie gut aufgehoben. Du hast nichts gesagt, das verboten wäre.
Aber du hast über die Königin und die Prinzessin gesprochen.«
    »Was habe ich gesagt?«, forschte ich.
    Er zögerte. »Kind, wenn der Engel, der dich leitet, gewollt
hätte, dass du deine ausgesprochenen Worte erfährst, so hätte er
zugelassen, dass du sie in wachem Zustand sprichst.«
    Ich nickte.
    »Doch er lässt es nicht zu. Vielleicht ist es besser, wenn du
es nicht weißt.«
    »Aber was soll ich Lord Robert sagen, wenn ich ihn wieder
besuche?«, wollte ich wissen. »Und was kann ich der Königin über ihr
Baby sagen?«
    »Du kannst Lord Robert ausrichten, dass er in den nächsten
zwei Jahren freikommt«, sagte John Dee bestimmt. »Ein Augenblick wird
kommen, da er glaubt, dass alles verloren ist, wieder einmal, doch
genau das ist der Moment, in dem alles für ihn beginnt. Dann darf er
nicht verzagen. Der Königin kannst du ausrichten, dass sie hoffen soll.
Wenn je eine Frau auf der Welt ein Kind verdient, weil sie ihm eine
gute Mutter sein wird, weil sie den Vater des Kindes liebt und weil sie
dieses Kind so heiß ersehnt, so ist es diese Königin. Doch ob sie ein
Kind ebenso in ihrem Leib trägt wie in ihrem Herzen, kann ich dir nicht
sagen. Ob aus dieser Geburt ein Kind hervorgehen wird oder nicht, kann
ich dir nicht sagen.«
    Ich stand auf. »Dann gehe ich jetzt«, sagte ich. »Ich muss die
Pferde zurückbringen. Aber Mr. Dee …«
    »Ja?«
    »Was ist mit Prinzessin Elisabeth? Wird sie einst den Thron
erben?«
    Er lächelte mich an. »Erinnerst du dich, was wir gesehen
haben, als wir das erste Mal in das Kristall schauten?«
    Ich nickte.
    »Du sagtest, es werde ein Kind geben und doch kein Kind; ich
glaube, damit ist das erste Baby der Königin gemeint, das inzwischen
geboren sein sollte, und doch noch nicht gekommen ist. Du sagtest, es
werde einen König geben und doch keinen König – ich glaube,
das ist Philipp von Spanien, den wir zwar König nennen, der aber nicht
König von England ist und niemals sein wird. Dann sagtest du, es werde
eine vergessene jungfräuliche Königin geben und eine Königin, die
jedoch keine Jungfrau ist.«
    »Ist damit Königin Jane gemeint, die eine jungfräuliche
Königin war und nun von allen vergessen ist – und jetzt
Königin Maria, die sich zuerst Jungfrau nannte, nun aber eine
verheiratete Königin ist?«, fragte ich.
    John Dee nickte. »Vielleicht. Ich glaube, auch die Stunde der
Prinzessin wird kommen. Es gab noch mehr, doch das kann ich dir nicht
enthüllen. Nun geh.«
    Ich nickte und verließ das Zimmer. Während ich die Tür
schloss, sah ich sein dunkles, versonnenes Gesicht im Spiegel, als er
sich vorbeugte und die Kerzen ausblies. Ich fragte mich, was ich noch
gesagt haben mochte, während ich in Trance war.
    »Was hast du gesehen?«, heischte eine ungeduldige Elisabeth in
dem Augenblick zu wissen, als ich aus dem Zimmer kam.
    »Nichts!«, erwiderte ich. Fast hätte mich der Ausdruck ihres
Gesichts zum Lachen gebracht. »Da müsst Ihr schon Mr. Dee fragen. Ich
habe nichts gesehen. Es war lediglich ein Gefühl, als ob ich in Schlaf
gefallen wäre.«
    »Aber hast du gesprochen, oder hat er irgendetwas gesehen?«
    »Das, Prinzessin, kann ich eben nicht sagen.« Ich schritt zur
Tür und hielt nur kurz inne, um mich vor ihr

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