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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sei ich ein
Lehrbuch«, meinte sie. »Ich habe dich beobachtet. Du siehst mir zu, als
wolltest du lernen, wie man eine Frau wird.«
    Ich nickte ohne allzu große Überzeugung. »Vielleicht.«
    Sie lächelte. »Du liebst meine Schwester, nicht wahr?«
    »Ja, das tue ich. Wer könnte sie nicht lieben?«
    »Und warum willst du ihr nicht die Bürde erleichtern, indem du
ihr verrätst, wann dieses Baby endlich auf die Welt kommt? Es ist jetzt
schon einen Monat überfällig, Hannah. Die Leute lachen sie aus. Wenn
sie sich mit dem Zeitpunkt der Empfängnis geirrt hat, warum willst du
ihr dann nicht versichern, dass das Baby in ihrem Bauch wächst und in
dieser Woche fällig ist, oder in der nächsten?«
    Ich zögerte. »Wie sollte ich ihr so etwas sagen können?«
    »Mittels deiner Gabe!«, rief sie gereizt. »Du kannst ihr doch
sagen, dass du es in einer Vision erfahren hast. Du musst ihr ja nicht
verraten, dass wir diese Vision in meinen Gemächern heraufbeschworen
haben.«
    Ich dachte einen Moment nach.
    »Und wenn du Lord Robert besuchen gehst, könntest du ihm
Ratschläge geben«, fuhr Elisabeth leise fort. »Du könntest ihm sagen,
dass er mit ihr Frieden schließen soll, denn sie wird ihren Sohn auf
den Thron von England setzen, und England wird für alle Zeiten eine
katholische und Spanien unterstellte Macht sein. Du könntest ihm sagen,
dass er das Warten auf bessere Zeiten aufgeben soll. Du könntest ihm
sagen, dass seine Sache verloren ist und dass er konvertieren, dass er
um Gnade bitten soll, um wieder freizukommen. Deine Neuigkeiten könnten
dazu führen, dass er um seine Freiheit bittet. Du könntest dafür
sorgen, dass er freikommt.«
    Ich schwieg, doch die Röte, die verräterisch in meinen Wangen
hochstieg, konnte ich nicht unterdrücken. »Ich weiß nicht, wie er das
aushält«, fuhr sie beschwörend fort. »Armer Robert, sitzt im Tower und
wartet und weiß nicht, was die Zukunft bringt. Wenn er wüsste, dass
Maria die nächsten zwanzig Jahre auf dem Thron sitzt und ihr Sohn die
Krone erbt, glaubst du nicht, dass er dann für seine Freiheit kämpfen
würde? Seine Ländereien brauchen ihren Herrn, sein Volk braucht ihn. Er
ist ein Mann, der Erde unter seinen Stiefeln und den Wind im Gesicht
spüren muss. Er kann nicht sein halbes Leben lang eingesperrt bleiben.«
    »Wenn er mit Sicherheit wüsste, dass die Königin einen Sohn
gebiert, würde er dann freikommen?«
    »Wenn ein Thronfolger geboren würde, würde sie die meisten
Inhaftierten im Tower freilassen, weil sie sich dann des Thrones sicher
ist. Wir alle müssten aufgeben.«
    Nun zögerte ich nicht länger. »Ich tue es«, versprach ich.
    Elisabeth nickte versonnen. »Ihr braucht einen stillen Raum,
nicht wahr?«, sagte sie zu John Dee.
    »Nur von Kerzen erleuchtet«, erwiderte er. »Und einen Spiegel
sowie einen Tisch, auf dem ein Leintuch liegt. Dann fehlt zwar immer
noch einiges, doch wir müssen uns eben behelfen.«
    Elisabeth begab sich in die Kammer hinter ihrem
Empfangszimmer, und wir hörten, wie sie die Vorhänge zuzog und einen
Tisch vor den Kamin rückte. John Dee legte seine Astronomiekarten auf
ihrem Schreibtisch aus, und als Elisabeth zurückkam, hatte er eine
Linie durch das Geburtsdatum der Königin gezogen und eine entsprechende
durch das Datum des Königs.
    »Ihre Hochzeit fand im Zeichen der Waage statt«, sagte er. »Es
ist eine von tiefer Liebe erfüllte Verbindung.«
    Ich warf einen raschen Blick auf Elisabeths Gesicht, doch ihre
Miene war nicht höhnisch, weil sie vielleicht an ihren Flirt mit
Philipp dachte – im Augenblick war sie zu ernst für ihre
kleinlichen Triumphe.
    »Wird diese Verbindung Früchte tragen?«, fragte sie.
    John Dee zog eine Linie durch die langen Spalten mit den
verwirrend vielen Zahlen. Dann eine Linie nach unten. Am Schnittpunkt
beider Linien las er eine Zahl ab.
    »Ich glaube nicht«, sagte er. »Aber ich bin nicht sicher. Es
werden zwei Schwangerschaften sein.«
    Elisabeth stieß den Atem aus; es klang wie das Fauchen einer
Katze. »Zwei? Und – werden lebende Kinder geboren?«
    Wieder begutachtete John Dee die ermittelte Zahl, dann eine
andere Reihe von Zahlen auf dem unteren Teil der Karte. »Es ist alles
sehr dunkel.«
    Elisabeth war ganz still. Äußerlich war ihr nichts von ihrem
verzweifelten Verlangen nach Aufklärung anzusehen.
    »Wer wird also den Thron erben?«, fragte sie gepresst.
    John Dee zeichnete eine weitere horizontale Linie durch die
Zahlenspalten. »Das solltet Ihr

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