Die Hofnärrin
zu verneigen. »Ich muss
meine Stute in den Stall zurückbringen, sonst wird sie vermisst, und
sie kommen mich suchen.«
Mit einem Nicken ließ Elisabeth mich gehen. In dem Augenblick,
als ich die Tür öffnen wollte, ertönte ein Klopfen: das gleiche Signal,
das Kat Ashley benutzt hatte. Sogleich war Kat an der Tür und öffnete.
Ein Mann rauschte ins Zimmer, und sie machte die Tür sogleich wieder
hinter ihm zu. Ich erschrak, als ich Sir William Pickering erkannte,
Elisabeths Freund aus früheren Zeiten, einen Mitverschwörer der
Wyatt-Rebellion. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Sir William
verziehen worden war und dass er wieder zum Hofstaat gehörte –
und dann ging mir auf, dass dies vermutlich auch nicht der Fall war.
Sir Williams Besuch war geheim.
»Mylady, ich muss gehen«, sagte ich mit fester Stimme.
Kat Ashley hielt mich zurück. »Man wird dich bitten, Mr. Dee
ein paar Bücher zu bringen. Er wiederum gibt dir Papiere, die du Sir
William bringen wirst, in ein Haus, das ich dir noch nenne«, erklärte
sie. »Lass dich nun von ihm in Augenschein nehmen, damit er dich
wiedererkennt. Sir William, dies ist die Hofnärrin der Königin, sie
wird Euch die benötigten Papiere überbringen.«
Wäre der Befehl von jemand anderem gekommen, hätte ich mich
vielleicht nicht auf Lord Roberts Warnung besonnen; doch nun erkannte
ich mit Entsetzen, dass sie bereits wieder dabei waren, ein Komplott zu
schmieden.
»Es tut mir leid«, sagte ich schlichtweg zu Kat Ashley, wobei
ich Sir Williams Blick mied und nur wünschte, er hätte mich nie
gesehen. »Doch Lord Robert hat mir aufgetragen, für niemanden
Botschaften zu überbringen. Es war sein Befehl. Ich sollte die Bänder
erwähnen und keine weiteren Aufträge übernehmen. Ihr müsst mich
entschuldigen, Prinzessin, Sir, Mrs. Ashley, ich kann Euch nicht
dienen.«
Rasch begab ich mich zur Tür und trat hinaus, bevor sie mich
daran hindern konnten. Nachdem ich den Gang hinuntergelaufen war, holte
ich tief Luft und spürte, wie mein Herz hämmerte, als sei ich gerade
einer großen Gefahr entronnen. Ich drehte mich noch einmal um. Die Tür
zu Elisabeths Gemächern blieb verschlossen, und als Nächstes vernahm
ich das Schließen des gut geölten Riegels und das Geräusch, mit dem Kat
Ashley ihren Hintern gegen das Holz presste. Da wusste ich, dass dort
tatsächlich Gefahr drohte.
Es war Juni, und Königin Marias Baby somit
mehr als einen Monat überfällig – Grund genug, dass alle
begannen, sich Sorgen zu machen. Vom Weißdorn in den Hecken wehten die
Blütenblätter, trieben wie Schneeflocken über die Straßen. Die Wiesen
standen voller Blumen, die einen betäubenden Duft ausströmten. Wir
blieben in Hampton Court, obwohl der königliche Hof während des Sommers
in eine andere Residenz überzusiedeln pflegte. Wir warteten, bis die
Rosen im Park erblühten und jeder Vogel Englands ein Junges im Nest
hatte – nur die Königin nicht.
Der König ging mit Gewittermiene umher, dem beißenden Spott
der englischen Höflinge und dem Zorn des englischen Volkes ausgesetzt.
Tag und Nacht ließ er sämtliche Straßen und alle Landestege am Fluss
bewachen. Es ging das Gerücht, wenn die Königin im Kindbett stürbe,
würden tausend Mann zum Palast stürmen, um die Spanier in Stücke zu
reißen. Das Einzige, was Philipp dann noch Sicherheit garantieren
könnte, wäre ein Stein im Brett bei der neuen Königin, bei Elisabeth.
Kein Wunder, dass die Prinzessin in ihrem dunklen Gewand im Palast
umherrauschte wie eine schwarze, mit Sahne überfütterte Katze.
Die spanischen Granden wurden zusehends gereizter, als werde
ihre eigene Männlichkeit durch die Langsamkeit dieses Babys infrage
gestellt. Sie fürchteten den Zorn des englischen Volkes. Sie waren nur
wenige, ohne Aussicht auf Befreiung, falls der Palast belagert werden
sollte. Allein die Ankunft des Babys konnte ihre Sicherheit
gewährleisten – und dieses Baby verspätete sich beträchtlich.
Die Hofdamen der Königin wurden immer mürrischer; sie hatten
das Gefühl, sich lächerlich zu machen mit ihren Stickarbeiten, mit
ihren Lätzchen und Höschen und Kleidchen für ein Baby, das einfach
nicht kommen wollte. Die jüngeren Damen, die auf einen fröhlichen
Frühling mit Bällen und Picknicks und Theater und Jagden gehofft
hatten, grämten sich in den langen Stunden des Ausharrens mit der
Königin in dem verdunkelten Gemach, während sie schweigend betete. Sie
traten aus dem Wochenbettzimmer mit den Mienen verzogener
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