Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Mädchen und dunklen Flaum auf der Oberlippe,
der zu den seidigen dunklen Brauen und den schwarzen Augen passte. Auf
den ersten Blick hätte man ihn eher für einen Portugiesen gehalten,
doch die schwerlidrigen Augen klärten einen aufmerksamen Betrachter
sogleich über seine wahre Herkunft auf.
    Ich wandte den Blick von seinem Gesicht ab und betrachtete
seine schlanke Gestalt mit den breiten Schultern, der schmalen Taille,
den langen Beinen: ein gut aussehender junger Mann.
    »Ja«, erwiderte ich knapp. »Ich gehöre jetzt zum Hofstaat.«
    »Wenn du sechzehn bist, wirst du den Hof verlassen und wieder
heimkommen«, sagte er.
    Ich zog die Augenbrauen hoch. »Und wer will mir das befehlen?«
    »Ich.«
    Einen Moment herrschte eisiges Schweigen. »Ich glaube nicht,
dass Ihr das Recht habt, mir irgendetwas zu befehlen.«
    »Wenn ich dein Ehemann bin …«
    »Dann ja.«
    »Ich bin dein Verlobter. Du bist mir versprochen. Ich habe
Rechte.«
    Ich schaute ihn verdrießlich an. »Der König erteilt mir
Befehle, der Herzog von Northumberland erteilt mir Befehle, sein Sohn,
der Lord Robert Dudley, erteilt mir Befehle, überdies hat mein Vater
Befehlsgewalt über mich … Reiht Euch nur ein, wenn Ihr wollt.
Jeder zweite Mann in London scheint zu glauben, dass er mir befehlen
kann.«
    Daniel entfuhr ein unwillkürliches Glucksen. Sein erheitertes
Gesicht wirkte weicher, jünger. Sanft fasste er mich an der Schulter,
als ob ich ein Gefährte in seiner Jungenbande wäre. Ich spürte, dass
ich sein Lächeln erwiderte. »Oh, du armes Mädchen«, scherzte er. »Arme,
närrische Maid.«
    Ich schüttelte unwillig den Kopf. »Eine Närrin, in der Tat.«
    »Möchtest du nicht diesen befehlshaberischen Männern
entrinnen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Es ist besser, ich lebe hier bei
Hofe, als dass ich meinem Vater zur Last falle.«
    »Du könntest mit mir heimkommen.«
    »Dann würde ich Euch zur Last fallen.«
    »Sobald ich meine Lehrzeit beendet habe und Arzt bin, werde
ich uns ein Heim schaffen.«
    »Und wann soll das sein?«, fragte ich mit der scharfen Bosheit
des jungen Mädchens. Wieder beobachtete ich, wie die Röte quälend
langsam seinen Hals hochkroch.
    »In zwei Jahren«, gab er steif zur Antwort. »Wenn du reif für
die Ehe bist, werde ich fähig sein, eine Frau zu ernähren.«
    »Dann kommt in zwei Jahren wieder«, sagte ich wenig hilfreich.
»Kommt in zwei Jahren mit all Euren Befehlen, und ich werde da sein.«
    »In der Zwischenzeit sind wir dennoch verlobt«, beharrte er.
    Ich versuchte, seine Gedanken zu lesen. »Verlobt wie seit
jeher. Die alten Frauen haben dies zu ihrer Zufriedenheit geregelt,
wenn schon nicht zu der unsrigen. Wollt Ihr noch mehr wissen?«
    »Ich würde gern wissen, woran ich bin«, sagte er störrisch.
»Ich habe gewartet, bis ihr aus Amsterdam kamt, du und dein Vater.
Monatelang wusste niemand, ob ihr noch lebt oder gestorben wart. Als
ihr nach England kamt, glaubte ich, du würdest froh sein …
froh sein … ein Heim zu finden. Und dann höre ich, dass ihr
ein Haus gefunden hättet, dass du nicht bei Mutter und mir leben
würdest, und dass du diese Knabenkluft nicht abgelegt hättest. Dann
muss ich hören, dass du für ihn arbeitest wie ein Sohn. Und dann höre
ich, dass du den Schutz deines Vaterhauses verlassen hättest. Und nun
finde ich dich bei Hofe.«
    Es war nicht meine Gabe der Vorhersehung, die mir bei diesem
Gespräch von Nutzen war, sondern die Intuition eines Mädchens auf der
Schwelle zum Frausein. »Ihr habt wohl geglaubt, ich würde mich in Eure
Arme werfen!«, rief ich aus. »Ihr habt geglaubt, Ihr würdet mich
retten. Ihr habt mich für ein furchtsames junges Ding gehalten, das
sich nach der starken Schulter eines Mannes sehnt!«
    Er errötete noch mehr, und ein heftiges Kopfrucken verriet
mir, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
    »Nun, dann vernehmt Folgendes, junger Physikus in spe, ich
habe Dinge gesehen und bin durch Länder gereist, die Ihr Euch nicht
einmal vorstellen könnt. Ich habe Angst ausgestanden, und ich war in
Gefahr, doch keinen Augenblick habe ich danach getrachtet, mich der
Hilfe eines Mannes zu versichern.«
    »Du bist nicht …« Er war sprachlos, seine beleidigte
Würde schnürte ihm die Luft ab. »Du bist überhaupt nicht …
mädchenhaft.«
    »Ich danke Gott dafür!«
    »Du bist kein … kein folgsames Mädchen.«
    »Dafür danke ich meiner Mutter.«
    »Du bist nicht …« Nun gewann sein Zorn die Oberhand.
»Du wärest nie meine erste Wahl

Weitere Kostenlose Bücher