Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
gewesen!«
    Dies brachte mich zum Schweigen. Wir starrten einander an,
einigermaßen erschrocken über die Distanz, die wir in so kurzer Zeit
zwischen uns gebracht hatten.
    »Wollt Ihr ein anderes Mädchen heiraten?«, fragte ich ein
wenig erschüttert.
    »Ich will kein anderes Mädchen«, gab er verdrießlich zurück.
»Aber ich will kein Mädchen heiraten, das mich nicht will.«
    »Ihr seid es nicht, gegen den ich Abneigung verspüre«, lenkte
ich ein. »Es ist die allgemeine Vorstellung von der Ehe. Wenn ich die
Wahl hätte, würde ich mich nicht für die Ehe entscheiden. Was ist sie
denn anderes als Sklavendienst für Frauen, die Schutz ersehnen? Doch
dann dienen sie Männern, die ihnen diesen Schutz nicht einmal geben
können!«
    Mein Vater warf einen forschenden Blick in unsere Richtung und
ertappte uns dabei, wie wir uns von Angesicht zu Angesicht
gegenüberstanden, in Schweigen erstarrt. Daniel wandte sich ab und trat
zwei Schritte beiseite, ich lehnte mich gegen den kalten Stein des
Torpfostens und überlegte, ob er nun wohl in der Dunkelheit
verschwinden und ich ihn nie wiedersehen würde. Vater würde vermutlich
entsetzt sein, wenn ich mit meiner Frechheit eine gute Partie
vergraulte. Ob wir überhaupt in England bleiben könnten, wenn Daniel
und seine Familie sich von uns Neuankömmlingen verhöhnt fühlten? Wir
gehörten zwar zur selben Familie und besaßen ein Anrecht auf die Hilfe
unserer Verwandten, aber die Juden von England bildeten eine enge
kleine Welt, und wenn sie beschlossen, uns auszustoßen, blieb uns keine
andere Wahl, als wieder ruhelos umherzuziehen.
    Daniel bezwang jedoch seinen Zorn und kam wieder zu mir ans
Tor.
    »Du handelst unbillig, wenn du so stichelst, Hannah Green«,
sagte er mit zitternder Stimme. »Was auch immer geschehen mag, wir sind
einander versprochen. Du hältst mein Leben in Händen und ich das deine.
Wir sollten nicht uneins sein. Diese Welt bedeutet für uns Gefahr. Wir
sollten zusammenhalten, um unserer eigenen Sicherheit willen.«
    »Es gibt keine Sicherheit«, gab ich kalt zurück. »Wenn Ihr
glaubt, für solche wie uns könnte es jemals Sicherheit geben, dann habt
Ihr zu lange in diesem ruhigen Lande gelebt.«
    »Wir können uns in diesem Land ein Heim schaffen«, sagte er
eifrig. »Wir können heiraten und Kinder bekommen, und diese Kinder
werden Engländer sein. Sie werden es nicht anders kennen, wir müssen
ihnen nicht einmal von deiner Mutter erzählen, von ihrem Glauben. Und
auch nicht, dass es unser heimlicher Glaube ist.«
    »Oh doch, Ihr werdet es unseren Kindern erzählen«, prophezeite
ich. »Jetzt glaubt Ihr es noch nicht, doch sobald wir ein Kind
bekommen, werdet Ihr nicht widerstehen können. Und Ihr werdet Mittel
ersinnen, um in der Freitagnacht die Kerze anzuzünden und am Sabbat
nicht arbeiten zu müssen. Ihr werdet Arzt sein, Ihr werdet die Jungen
heimlich beschneiden und ihnen die Gebete beibringen. Ich aber werde
die Mädchen lehren, wie man ungesäuertes Brot backt, Milch und Fleisch
getrennt aufbewahrt und das Fleisch ausbluten lässt. In dem Moment, wo
eigene Kinder da sind, werdet Ihr sie lehren wollen. Und so geht es
fort und fort, wie eine Krankheit, die man vererbt.«
    »Es ist keine Krankheit«, flüsterte er erhitzt. Selbst mitten
im Streit erhoben wir die Stimmen nicht. Stets waren uns die dunklen
Schatten im Garten bewusst, die Gefahr, dass jemand lauschte. »Es ist
schändlich, unseren Glauben eine Krankheit zu nennen. Er ist ein
Geschenk Gottes, wir sind auserwählt, den Glauben zu erhalten.«
    Ich hätte ihm nur zu gern widersprochen, und sei es um des
Widerspruchs willen, doch war mir dies zutiefst zuwider, denn ich
liebte meine Mutter und ihre Liebe zum Glauben. »Ja«, gab ich zu.
»Unser Glaube ist keine Krankheit, doch er tötet uns wie eine
Krankheit. Meine Großmutter und meine Tante sind daran gestorben und
meine Mutter ebenso. Und nun kommt Ihr mit dem Vorschlag, ein Leben in
Angst zu verbringen. Dies nenne ich nicht auserwählt, dies nenne ich
verflucht.«
    »Wenn du nicht mich heiraten willst, kannst du ja einen
Christen zum Mann nehmen und so tun, als hättest du unseren Glauben
vergessen«, betonte Daniel. »Niemand würde dich verraten. Ich würde
dich gehen lassen. Du kannst den Glauben verleugnen, um dessentwillen
deine Mutter und deine Großmutter gestorben sind. Sage nur ein Wort,
und ich teile deinem Vater mit, dass ich wünsche, von dem Gelübde
entbunden zu werden.«
    Ich zögerte. Obwohl ich so mit meinem Mut

Weitere Kostenlose Bücher