Die Hofnärrin
unbesorgt.«
»Haben sie ihn freigelassen?«
»Ihn und ein halbes Dutzend andere, die des Verrats angeklagt
waren. Sie sind bereits vor einiger Zeit freigelassen worden und
kämpfen nun auf der Seite des Königs.« Daniel verzog verächtlich den
Mund: Gewiss dachte er, dass so einer wie Lord Robert zunächst einmal
nur auf der eigenen Seite stand. »Dein Lord hat vor einem Monat seine
eigene Reiterei aufgestellt …«
»Er ist durch die Stadt gekommen? Ohne dass ich davon gewusst
habe?«
»Er hat in St. Quentin gekämpft und wurde in Depeschen für
seine Tapferkeit gelobt«, fasste Daniel zusammen.
Ich glühte vor Freude. »Oh! Wie schön!«
»Ja«, gab Daniel ohne Begeisterung zu. »Aber du willst doch
nicht versuchen, ihn zu finden, Hannah? Auf dem Lande ist es derzeit
sehr unsicher.«
»Auf dem Heimweg kommt er doch wieder durch Calais, oder?
Nachdem die Franzosen um Frieden gebeten haben?«
»Das könnte ich mir denken.«
»Dann werde ich versuchen, ihn zu sehen. Vielleicht hilft er
mir, nach England zurückzukehren.«
Daniel erbleichte, sein Blick wurde noch strenger. »Du kannst
keine Rückkehr riskieren, solange die Gesetze gegen die Häresie so
streng sind«, mahnte er leise. »Sie wären gezwungen, dich zu verhören.«
»Unter dem Schutz von Lord Robert bin ich sicher«, sagte ich
mit unerschütterlichem Vertrauen.
Es kostete Daniel einige Überwindung, Lord Roberts Macht
anzuerkennen. »Das wird wohl so sein. Aber sprich bitte mit mir, bevor
du eine Entscheidung triffst. Vielleicht ist er doch nicht so
zuverlässig, wie du meinst, und seine Tat war nur ein Akt der
Tapferkeit in einem langen Leben des Verrats.«
Ich ließ diese Einschätzung unkommentiert.
»Kann ich dich nach Hause bringen?« Daniel bot mir seinen Arm,
ich nahm ihn und ließ mich geleiten. Zum ersten Mal seit Monaten spürte
ich, wie sich der Schleier der mich umgebenden Dunkelheit ein wenig
lichtete. Die Königin erwartete ein Kind, Lord Robert war frei und
wurde für seine Tapferkeit geehrt, die englisch-spanische Allianz hatte
die französische Armee geschlagen. Sicher konnten sich die Dinge auch
für mich wieder einrenken.
»Mutter hat mir erzählt, sie habe dich auf dem Markt in Hosen
gesehen«, bemerkte Daniel.
»Ja«, erwiderte ich sofort. »Ich fühle mich sicherer so, wo
doch so viele Soldaten und raue Kerle und lose Weiber auf den Straßen
sind.«
»Möchtest du wieder zu uns kommen?«, bot Daniel an. »Ich
wüsste dich lieber in Sicherheit. Den Laden könntest du ja dennoch
weiterbetreiben.«
»Er wirft ohnehin nichts ab«, bekannte ich freimütig. »Ich
halte mich nicht des Ladens wegen von dir fern. Ich kann nicht zu dir
zurückkommen, Daniel. Ich habe es beschlossen und werde meinen
Entschluss nicht ändern.«
Wir waren vor meiner Haustür angelangt. »Aber wenn du in
Schwierigkeiten steckst oder in Gefahr bist, dann wirst du mich doch
holen?«, drängte er.
»Ja.«
»Und du fährst nicht nach England oder triffst Lord Robert,
ohne es mir vorher zu sagen?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich hege keine Pläne, außer dem
einen, dass ich die Königin sehen möchte. Sie muss jetzt so glücklich
sein in ihrer Schwangerschaft, ich würde sie wirklich gern sehen. Ich
würde sie so gern einmal sehen, wenn sie sich wahrhaft freut.«
»Vielleicht wird es möglich sein, wenn der Friedensvertrag
unterzeichnet ist«, überlegte Daniel. »Ich könnte dich zu einem Besuch
nach London bringen und auch wieder abholen, wenn es dir recht ist.«
Ich schaute ihn forschend an. »Daniel, das wäre wirklich lieb
von dir.«
»Ich würde alles tun, was dir gefällt, alles, um dich
glücklich zu machen«, sagte er zärtlich.
Ich öffnete meine Tür. »Ich danke dir«, sagte ich leise und
schlüpfte rasch hindurch, bevor ich den Fehler machen konnte, einen
Schritt nach vorn in seine Arme zu tun.
Winter
1557/1558
G erüchte besagten, das geschlagene
französische Heer habe kehrtgemacht und sich an der Grenze zum
englischen Hoheitsgebiet neu formiert. Jeder Fremde, der zum
Weihnachtsgeschäft nach Calais kam, wurde nun als möglicher Spion
angesehen. Die Franzosen mussten Calais angreifen als Rache für St.
Quentin, doch sie mussten wissen – so wie wir alle –,
dass diese Stadt uneinnehmbar war. Doch es gab Möglichkeiten. Jeder
hatte nun Angst, dass die Schanzen vor der Stadt vermint werden
könnten, dass die geschickten französischen Mineure bereits dabei
waren, sich wie Würmer durch die englische Erde zu bohren.
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