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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ein und aus, landeten Waffen und Schießpulver und Pferde an.
Vor der Stadt war ein kleines Heerlager errichtet worden, und ständig
wurden Soldaten hierhin und dorthin geschickt, angebrüllt und wieder
zurückgeschickt. Das ständige Kommen und Gehen durch das Südtor brachte
mir jedoch keinen zusätzlichen Gewinn, denn Offiziere und Mannschaften
dieser hastig zusammengewürfelten Armee waren keine großen Gelehrten,
und überdies fürchtete ich ihre habgierigen Blicke. Durch die vielen
zusätzlichen Männer breitete sich Unruhe in der Stadt aus, und ich
gewöhnte mir wieder an, lange schwarze Hosen zu tragen, mein Haar unter
die Kappe zu stecken und trotz der Sommerhitze ein dickes Wams
anzuziehen. In meinem Stiefel steckte ein Messer, das ich im Falle
eines Angriffs oder Einbruchs im Laden ohne zu zögern benutzt hätte.
Marie, die frühere Pflegerin meines Vaters, war jetzt meine
Untermieterin, und jeden Abend um sechs Uhr verriegelten wir die Tür,
um sie erst am nächsten Morgen wieder zu öffnen. Hörten wir des nachts
Lärm und besoffenes Gegröle auf der Straße, so bliesen wir sogleich die
Kerzen aus.
    Der Hafen war von einlaufenden Schiffen nahezu blockiert, und
sobald die Soldaten aus dem Heerlager vor der Stadt in die äußeren
Festungen abmarschiert waren, rückten neue Mannschaften nach. An dem
Tag, als die Kavallerie durch die Straßen polterte, glaubte ich schon,
der Schornstein müsse durch die Erschütterung vom Dach fallen. Manch
eine junge Frau stand an der Straße und jubelte und winkte den Soldaten
zu, warf Blumen und liebäugelte mit den Offizieren – ich
jedoch hielt mich von dem Spektakel fern. Ich hatte zu viel Tod
gesehen, mein Herz hüpfte nicht vor Freude beim Klang von Trompeten und
von Trommeln. Daniels Schwestern gingen in ihren schönsten Kleidern Arm
in Arm auf dem Festungswall spazieren. Sie schafften es, gleichzeitig
züchtig zu Boden zu schauen und doch alles um sich herum zu beobachten,
sie gierten förmlich nach den Blicken der englischen Offiziere. Ich
konnte diese Gier nicht nachvollziehen, ich konnte die Aufregung nicht
verstehen, die alle außer mir ergriffen zu haben schien. Ich sorgte
mich lediglich um die Sicherheit meiner Waren und empfand Dankbarkeit,
dass ich mir ein Haus nahe und innerhalb der Stadtmauer ausgesucht
hatte anstatt außerhalb.
    Mitte des Sommers zog das englische Heer leidlich geordnet und
geübt und unter der Führung von König Philipp höchstpersönlich aus
Calais ab. Es belagerte St. Quentin, stürmte es im August und gewann es
den Franzosen ab. Ein glänzender Sieg über den verhassten Feind. Die
Bürger von Calais, die am liebsten sämtlichen verlorenen Besitz
Englands von Frankreich zurückgefordert hätten, wurden vor Freude
schier verrückt: Jeder zurückkehrende Soldat wurde mit Blumen überhäuft
und bekam ein Horn Wein in die dankbare Hand gedrückt, wurde als Retter
seiner Nation gepriesen.
    Am Sonntag sah ich Daniel in der Kirche. Gerade verkündete der
Priester den Sieg des Auserwählten Volkes Gottes über die
verräterischen Franzosen. Dann begann er zu meinem Erstaunen für die
glückliche Entbindung der Königin von einem Sohn und Thronerben zu
beten. Das waren für mich bessere Neuigkeiten als die Einnahme von St.
Quentin, und zum ersten Mal seit Monaten spürte ich, dass mir leichter
ums Herz wurde. Bei der Vorstellung, dass Maria nun wieder ein Kind im
Leibe trug, reckte sich mein Kopf von seiner Last befreit zwischen den
Schultern auf, und ich spürte ein Lächeln auf meinen Lippen. Wie
glücklich musste sie sein, wie hoffnungsvoll, dass diese
Schwangerschaft ihr das Glück wieder bescherte, das sie am Anfang ihrer
Ehe erfahren hatte! Überdies würde sie nun überzeugt sein, dass Gott
den Engländern vergeben und sie zu einer sanften Königin und guten
Mutter auserkoren hatte.
    Als Daniel nach dem Ende der Messe zu mir kam und meine frohe
Miene gewahrte, musste er lächeln. »Hast du denn nichts vom Zustand der
Königin gewusst?«
    »Woher denn?«, fragte ich dagegen. »Ich verkehre doch mit
keinem Menschen. Ich höre nur allgemeines Gerede.«
    »Es gibt auch Neues über deinen Lord zu berichten«, sagte
Daniel betont zurückhaltend. »Hast du nichts gehört?«
    »Über Robert Dudley?« Mir wurde schwindelig, als ich seinen
Namen hörte. »Was gibt es Neues?«
    Daniel nahm meinen Ellenbogen und hielt mich. »Gute
Nachrichten«, erwiderte er gelassen, obgleich es ihn sichtlich hart
ankam. »Gute Neuigkeiten, Hannah, sei

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