Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
gefährlichen Hufen auszuweichen
und mir ein paar Häuser weiter eine neue Zuflucht zu suchen. In diesem
Augenblick donnerte ein großes Reiterkommando heran. Ich erblickte über
den Köpfen eine Standarte, von Blut und Erde beschmutzt, und ich
erkannte den auf farbigen Grund aufgestickten Bären und Stab. Laut rief
ich: »Robert Dudley!«
    Ein Mann schaute auf mich herab. »Der ist an der Spitze, wie
stets!«
    Ich kehrte um, nun fürchtete ich nichts mehr. Ich schob die
Köpfe der Pferde beiseite, glitt zwischen mächtigen Flanken hindurch.
»Lasst mich durch, lasst mich durch, Sir! Ich will zu Robert Dudley.«
    Mir war zumute wie im Traum. Die großen Pferde mit ihren
Reitern ragten wie Zentauren vor mir auf. In der hellen Sonne
schimmerten und klirrten die Rüstungen, ein Klang wie von Zimbeln
erscholl, wenn ihre Hellebarden die Schilde trafen, und über dem
Getrappel der Pferdehufe auf den Pflastersteinen erhoben sich ihre
rauen Rufe lauter als ein Sturm.
    Ich fand mich an der Stirnseite des Platzes wieder. Dort war
der Standartenträger und daneben …
    »Mylord!«, schrie ich.
    Langsam drehte sich der behelmte Kopf zu mir um. Er hatte das
Visier heruntergeklappt und konnte mich daher nicht sehen. Ich riss mir
die Kappe vom Kopf, und mein Haar wehte, und dann hob ich mein Gesicht
dem dunklen Ritter entgegen, der hoch über mir auf seinem Pferd thronte.
    »Mylord! Ich bin's, Hannah die Hofnärrin.«
    Seine behandschuhte Rechte schob die metallene Maske hoch,
doch immer noch war sein Gesicht vom Helm beschattet, und ich konnte es
nicht erkennen. Das Pferd tänzelte, doch seine Linke hielt es im Zaum.
Ich spürte seinen Blick auf mir, seine bohrenden Augen unter dem Helm.
    »Holder Knabe?!«
    Es war wahrhaftig seine Stimme, Lord Roberts Stimme, auch wenn
sie aus dem Munde dieses Göttergleichen drang, aus dem Munde dieses
Metallmenschen. Seine Stimme, so zärtlich und warm und unbeschwert, als
käme er soeben vom Tanz auf König Eduards Sommerfest.
    Sein Pferd tänzelte seitwärts, und ich sprang auf eine
Türschwelle, die mich einige Zoll größer machte. »Mylord, ich bin's!«
    »Holder Knabe, was, zum Teufel, hast du hier zu suchen?«
    »Ich lebe hier«, bekannte ich halb lachend und halb weinend.
»Und Ihr?«
    »Bin ein Freigelassener, und nun kämpfe ich und gewinne
zuweilen – im Moment jedoch sieht es eher nach Niederlage aus.
Bist du denn in dieser Stadt sicher?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich wahrheitsgemäß. »Können wir
die Stadt halten?«
    Er streifte den Panzerhandschuh von seiner Rechten, zog einen
Ring vom Finger und warf ihn mir zu, nicht darauf achtend, ob ich ihn
auch auffing. »Nimm diesen Ring und begib dich zur Windflight «, hieß er mich. »Sie ist mein Schiff. Ich kümmere mich darum,
dass du an Bord bist, wenn wir ablegen. Nun fort mit dir, geh aufs
Schiff! Wir müssen einen Ausfall machen.«
    »Fort Risban ist gefallen!«, rief ich ihm über den Lärm hinweg
zu. »Ihr könnt nicht segeln, sie haben bestimmt ihre Kanonen auf den
Hafen gerichtet!«
    Robert Dudley lachte laut auf, als wäre selbst der Tod nur ein
Witz. »Holder Knabe, ich erwarte auch nicht, diesen Kampf zu überleben!
Du aber könntest Glück haben und davonkommen. Geh jetzt!«
    »Mylord …«
    »Das ist ein Befehl!«, fuhr er mich an. »Geh!«
    Ich schnappte nach Luft und steckte den Ring an meinen Finger.
Er hatte auf Lord Roberts kleinem Finger gesessen und passte gerade auf
meinen Mittelfinger, genau über den Ehering: Nun trug ich Dudleys Ring
am Finger!
    »Mylord!«, rief ich wieder. »Kommt heil zurück!«
    Das Horn schallte so laut, dass meine Worte untergingen. Sie
standen kurz vor dem Angriff. Lord Robert klappte sein Visier herunter,
streifte den Panzerhandschuh über, hob seine Lanze, tippte sie grüßend
an seinen Helm und riss sein Pferd herum, sodass er seine Mannen im
Blick hatte.
    »Ein Dudley!«, rief er. »Für Gott und die Königin!«
    »Für Gott und die Königin!«, erhob sich der Schlachtruf. »Für
Gott und die Königin! Dudley! Dudley!«
    Sie ritten in Richtung der Stadtmauer, und ich, Mylords
Befehlen ungehorsam, folgte ihnen wie eine Marketenderin. Zu meiner
Linken gingen die Gassen zum Hafen ab, doch ich wurde vom Klirren der
Kandaren und dem ohrenbetäubenden Geklapper der eisenbeschlagenen Hufe
mitgerissen. Je näher wir dem Tor kamen, desto lauter tönte der
Belagerungslärm – und nun erschrak ich, verharrte und spähte
nach dem nächsten Weg zum Hafen.
    In diesem Augenblick sah

Weitere Kostenlose Bücher